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Ein rundum gelungener Fußballabend?

Stahl Riesa gewinnt das Derby gegen Großenhain vor 746 Fans. Drei Dutzend davon können sich aber nicht benehmen.

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© Ronny Belitz

Von Thomas Riemer

Riesa. „Ende gut, alles gut!“ Das Fazit von Bernd Kalies nach einem ganz besonderen Fußballabend in Riesa fällt kurz und knapp aus, als der Sprecher des Vorstandes der BSG Stahl Riesa die letzten üblichen Handgriffe nach einem Sachsenliga-Spiel in der Feralpi-Arena vollzieht. Im Image-Derby gegen den Großenhainer FV haben die Elbestädter soeben 2:1 nach einem rassigen Spiel gewonnen. 746 zahlende Zuschauer füllten die Vereinskasse. Und weil die Begegnung unter Flutlicht stattfand, war es eine ganz besondere Atmosphäre.

Schon vor dem Anpfiff konnte man buchstäblich das „Knistern“ im weiten Rund spüren. Lange Schlangen an den Ticketkassen und am Einlass. Rund 150 Fans aus Großenhain sorgten beizeiten für sicht- und hörbare Zeichen, dass die Röderstädter keineswegs als Punktlieferant an die Elbe gekommen sind. „Wir haben extra unser Training heute abgesagt und sind nach Riesa gefahren“, sagt D-Jugend-Trainer Holger Lehnert. Inklusive „Exkursion“ in die benachbarte Nudelfabrik. Im Fanblock nicht fehlen durften natürlich die „Großenhainer Löwen“. Seit Jahren verpassen die GFV-Edelfans kein Spiel ihrer Lieblinge.

Jörg Kubat ist in Riesa nach längerer Zeit zum ersten Mal wieder im Pulk der „Löwen“, dessen harter Kern so um die zehn Leute umfasst. 2001 hat Kubat zum ersten Mal ein Riesaer Heimspiel gesehen, damals hießen die Kontrahenten noch Stahl Riesa 98 und Dynamo Dresden und der Spielort Ernst-Grube-Stadion. „Dort war es irgendwie schöner.“ Diesmal freut sich Kubat, der gerade einen Schiedsrichterlehrgang absolviert hat, auf ein ansehnliches Lokalderby. „Wir wären auch mit einem Punkt zufrieden“, sagt er durch die Großenhainer Lokalbrille betrachtet. „Hauptsache, beide Mannschaften bleiben in der Liga. Denn beide haben gute Fans“, fügt er hinzu.

Bis zur Halbzeit läuft alles nach Plan. Der GFV führt verdient 1:0. Die Stahl-Fans skandieren „Eisern Riesa“. Und dann passiert es doch. Als beide Mannschaften zur zweiten Halbzeit auflaufen, zünden zwei Dutzend Unbelehrbarer grelle Bengalos und tauchen den Block in undurchdringlichen, stinkenden Qualm. Stadionsprecher Heiko Schubert, von Natur aus Stahl-Sympathisant, ist wütend. „Wenn der Schiedsrichter jetzt abbricht, haben wir die Arschkarte“, lässt er das Publikum wissen. „Hört mit diesem Scheißdreck auf!“ Nach kurzer Unterbrechung geht es weiter. Noch einmal muss Schubert seinen Appell wiederholen – diesmal richtet sich seine Rage gegen ein paar „Fans“ aus dem Großenhainer Block: „Hört mit diesem Scheiß auf!“ Auch die eigentlich als Anfeuerung der Mannschaften gedachten Sprechchöre werden im Ton rauer, ihr Inhalt grenzwertig – und das in beiden Lagern. Heiko Schubert, vielen als Kabarettist und Karnevalist bekannt, räumt ein, dass seine direkte Ansprache zwar ungewöhnlich, aber manchmal eben unabdingbar ist. Das böse Wort von den „Id…“ will er sich aber verkneifen. Kurz muss er darüber lächeln. „Ich bin ja selbst sehr emotionsgeladen“, sagt er. Und angesichts des turbulenten Spielverlaufs mit einem sehr glücklichen Elfmeter für Stahl Riesa, der das 2:1-Endresultat besiegelte, gesteht der mit vielen Fußball-Wassern gewaschene Stadionsprecher: „Ein Remis wäre gerecht gewesen.“ Ein Sportsmann halt.

Mit dem Schlusspfiff verbreitet Heiko Schubert ein bisschen WM-Stimmung a la 1954. „Aus. Aus. Das Spiel ist vorbei“, schallt es durch die Lautsprecher der Feralpi-Arena. Das übliche Szenario: Fair klatschen sich die Akteure und Betreuer auf dem Spielfeld ab, auch das Schiedsrichterteam ist dabei. Die Mannschaften bedanken sich bei ihren Fans, auch wenn die Großenhainer etwas geknickt das Stadion schleichend verlassen. „Eisern Riesa“ feiert hingegen die drei Punkte.

Im Vereinshaus geben die Trainer und Riesas Defensiv-Stratege Martin Magula erste Interviews. Großenhain-Coach Andreas Jachmann spricht von einem Ostergeschenk des Schiedsrichters und meint jenen umstrittenen Elfer. Stahl-Trainer Daniel Küttner kontert: „Es wurde uns nichts geschenkt. „Martin Magula bedankt sich brav bei der „klasse Kulisse, die wir lange nicht hatten und die uns nach vorn gepeitscht hat“. Mitten ins Interview platzt krachend ein weiterer Böller der feiernden Gastgeber-Anhänger.

„Ein rundrum gelungener Abend, alles hat gepasst“, so BSG-Vorstand Bernd Kalies. Ob das auch der Sächsische Fußballverband so sieht, muss nun abgewartet werden.