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Ein Ritter, der Gewalt nicht mag

Mit Lanzenkämpfen und Gauklern ist das Kloster Altzella am Wochenende in die Saison gestartet.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Nossen. Mit grimmigem Gesicht steht der Ritter imposant auf der kleinen Anhöhe. Entschlossen zieht er sein Schwert, das in der gleißenden Mittagssonne bedrohlich funkelt. Fast scheint es so, als würde er jeden Moment in den Krieg ziehen. Allerdings nur fast. Denn tatsächlich ist er gar kein richtiger Ritter, sondern Teil des Mittelalterspektakels im Klosterpark Altzella, welches am Wochenende bei strahlendem Sonnenschein seine Tore geöffnet hatte.

Viele Familien mit kleinen Kindern schlendern gemütlich durch das Gelände und sind teilweise selbst als Ritter oder Burgfräulein verkleidet. Die Stimmung ist entspannt. Angst vor dem großen, beeindruckenden Ritter in historischer Originaltracht scheinen selbst die Kleinsten nicht zu haben. Geduldig stellen sie sich neben ihn, nachdem ihre Eltern zuvor nach einem Foto gefragt hatten. Dennoch haben auch sie klare Vorstellungen. Als der Ritter einem kleinen Jungen anbietet, sein Stahlschwert in die Hand zu nehmen, lehnt dieser ab. Stattdessen zückt er lieber sein eigenes, kleines Holzschwert.

Ohne dass es die Besucher in diesem Moment ahnen, sind sie bei Ritter Viktor zu Auwald alias Viktor Schüler mit ihrem Nachwuchs genau an der richtigen Adresse. Denn der kommt schon von Berufs wegen gut mit Kindern und Jugendlichen aus. „Ich therapiere im richtigen Leben als Ergotherapeut Kinder mit Aggressionspotenzial. Und auch als Ritter bin ich gegen Gewalt“, sagt Schüler und ergänzt: „Mein eigenes Wappen mit einem durchgestrichenen Kreuz steht genau dafür.“

Gemeinsam mit sechs anderen Mitstreitern der Dresdner Gruppe Ritterbund Schwarzer Löwe ist er beim diesjährigen Festival aber ohnehin nicht für die Kampfeinlagen zuständig. „Wir stellen diesmal das Lager dar und zeigen unter anderem mittelalterliche Holz- und Lederbearbeitung.“ Er selbst sei in der Küche eingeteilt und richte das Essen an, das in der Regel kaum Fleisch enthält. „Als Ritter hatte ich zwar Zugriff auf Fleisch, aber es musste erst vom Lehnsherrn genehmigt werden“, erklärt der 27-Jährige den geschichtlichen Hintergrund.

Noch strenger sind die Vorschriften für die bäuerliche Bevölkerung. „Fisch war damals vollkommen tabu. Wer widerrechtlich angelte, konnte vom Lehnsherrn mit dem Tod bestraft werden“, sagt Schüler, der zum vierten Mal in Nossen als Mitwirkender mit dabei ist und zuvor schon zehn Jahre lang als Gast. „Mich fasziniert das Ritterthema bereits seit der Kindheit, was auch daran liegt, dass meine Eltern Militärhistoriker sind und wir ständig auf Burgen und Schlössern unterwegs waren.“

Neben den Rittern, die in Gestalt des Horse Stunt Teams Arturius aus Heroldsbach bei Nürnberg auch zu epischen Klängen in spektakulären Lanzenkämpfen aufeinander losgehen und dabei versuchen, den jeweiligen Gegner vom Pferd zu schmeißen, lebt das Mittelalterspektakel von den vielen kleinen Attraktionen.

So verfolgen die Zuschauer begeistert, wie Gaukler Lupus mit gleich fünf Fackeln auf einmal jongliert und einzelne Fackeln sogar mit dem Kinn oder dem Bein auffängt. Für Kinder ist es wiederum am interessantesten, wenn sie selbst aktiv sein können und beispielsweise eine schräg aufgehängte Strickleiter hoch balancieren oder auf dem Rücken eines Pferdes ihre ersten Reitversuche wagen dürfen. Beliebt ist auch ein Kettenkarussell, dessen „Ketten“ aus Seilen bestehen und per Kurbel vom Schausteller angetrieben werden.

Die Erwachsenen hingegen machen es sich nach dem Rundgang über das Areal bei Spezialitäten wie Teufelsrippe oder Räubersteak vor der großen Bühne gemütlich, trinken Honig- oder Kirschbier und lauschen den Folklore-Klängen der Gruppe Donner und Doria. Auf diese Weise vergeht das Wochenende wie im Fluge, bis die Zeitreise schließlich am Sonntagabend endet. Nächstes Jahr geht’s weiter.