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Ein Platz für die Verzweifelten

Görlitz ist auf rund 50 Obdachlose vorbereitet. Einen großen Ansturm auf Notquartiere erwartet die Awo aber nicht.

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© dpa/Matthias Balk

Von Matthias Klaus

Görlitz. Wenn die Temperaturen sinken, wird das Publikum internationaler. „Bei uns kommen jetzt wieder zunehmend Polen an“, sagt Heike Neumann. Sie ist die stellvertretende Chefin der Görlitzer Bahnhofsmission. Etwa 30 Personen pro Tag werden hier versorgt. Die Bahnhofsmission Görlitz war die Erste, die in Sachsen vor 26 Jahren in den ostdeutschen Bundesländern wieder ihre Türen öffnete. Sie befindet sich in der Trägerschaft des evangelischen Vereines für Diakonie und Stadtmission. Hier werden nicht nur hilfesuchende Reisende, Senioren oder Menschen mit Behinderung umsorgt, sondern sich auch um jene Mitmenschen gekümmert, die in persönlichen Krisenzeiten nicht auf Familie oder Freunde zurückgreifen können.

„Derzeit haben wir pro Tag etwa 30 Besucher“, sagt Heike Neumann von der Bahnhofsmission. Leute, die eine warme Mahlzeit, ein warmes Getränk bekommen. Bedürftige, die sich an der Sattigstraße ein bisschen wie Zuhause fühlen können. Unter ihnen sind Obdachlose. „Nicht nur, aber auch“, sagt Heike Neumann. Im vergangenen Jahr hatte die Bahnhofsmission ihr 25-jähriges Jubiläum gefeiert, Sowohl ab 1939 als auch zu DDR-Zeiten war kirchliche Arbeit dieser Art nicht erlaubt.

Wie und auf wie viele Menschen ohne festes Dach über dem Kopf ist die Stadt Görlitz gerade in der kalten Jahreszeit vorbereitet? Auf rund 50. Die werden von der Stadt und von der Awo betreut. Drei Unterkünfte gibt es für sie in Görlitz. Die Stadt betreibt eine an der Krischelstraße, eine weitere gibt es an der Zittauer Straße und die dritte an der Rothenburger Straße. Letztere wird von der Arbeiterwohlfahrt unterhalten. „In den vergangenen Wochen war die Unterkunft nicht ganz ausgelastet“, sagt Dirk Reinke, Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Oberlausitz. Er gehe auch nicht davon aus, dass es in der kalten Jahreszeit einen besonders großen Ansturm auf die Unterkunft in der Kreisstadt geben werde. Der Grund: das Beratungs- und Kontaktbüro in Görlitz. Für Fälle, in denen der Verlust der Wohnung droht, wird hier mit den Betroffenen frühzeitig geredet und versucht, Lösungen zu finden. Wenn es wirklich hart auf hart kommt, dann bietet die Awo eine Notschlafstelle an. „Aber uns ist wichtig, zunächst erst einmal nach Alternativen zu schauen“, sagt Dirk Reinke. Das System funktioniert, sagt der Awo-Geschäftsführer.

Zur Betreuung der Wohnungslosen stehen mehrere Sozialarbeiter zur Verfügung, teilt die Stadt Görlitz derweil mit. „Zusätzlich unterhalten wir eine Notschlafstelle, in der kurzfristig von Wohnungslosigkeit betroffene Personen – maximal sechs – zur Übernachtung untergebracht werden können“, so Rathaus-Sprecherin Sylvia Otto.

Der Görlitzer Stadtrat hatte im vergangenen Jahr eine Satzung für das Nutzen von Obdachlosen-Unterkünften beschlossen. Hintergrund waren offene Forderungen der Stadt gegenüber Bewohnern, die 2014 plötzlich ausgezogen waren, ohne zu zahlen. Zwar ging es nur um einen geringen Betrag, aber die Stadt wollte rechtliche Sicherheit. Wer einen Platz hat, muss nun unter anderem eine Grundgebühr für die Wohnung bezahlen und sich an Betriebs-- und Nebenkosten beteiligen.

Doch es geht nicht nur um die Übernachtung. Obdachlose werden mittels eines „Hilfeplanverfahrens“ wieder für das Leben in einer eigenen Wohnung befähigt, so Sylvia Otto. Dass auch ausländische Obdachlose in Görlitz ankommen, sieht die Stadt offensichtlich nicht als ein Problem an. „Es tauchen auch ausländische Wohnungslose im Stadtgebiet auf, die bei Eigen- oder Fremdgefährdung betreut werden müssen. Hierbei handelt es sich bisher jedoch um wenige Einzelfälle pro Jahr, meist aus Polen oder den osteuropäischen EU-Ländern“, sagt Sylvia Otto. Die meisten Nutzer der Angebote kämen aus Görlitz oder dem näheren Umkreis. „Oftmals sind diese Menschen von mehrfachen Problemen wie Sucht, gesundheitlichen und natürlich finanziellen Problemen betroffen“, so die Rathaussprecherin.