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Ein Platz für Asylbewerber?

Wohnblocks in Bischofswerda und Bautzen werden abgerissen. Dabei gebe es Alternativen, meinen Mieter.

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© Uwe Soeder

Von Frances Scholz und Gabriele Nass

Bischofswerda. Peter Flemming aus Bautzen hat etwas gemeinsam mit Bernd Kirste aus Bischofswerda. In dem Viertel, in dem beide zu Hause sind, sollen jeweils Wohnblocks abgerissen werden. Dabei können sich beide gut vorstellen, dass Flüchtlinge in solche Häuser einziehen. Bernd Kirste hätte auch kein Problem damit, mit Asylbewebern gemeinsam unter einem Dach zu wohnen, es sei sinnvoll die Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen stehenzulassen, „zumal auch Spielplatz und Bushaltestelle da sind.“ – Peter Flemming wohnt seit zwanzig Jahren in dem Haus in Bautzen, das weggerissen werden soll. Zu wenig Menschen leben noch darin. Der 80-Jährige weiß, dass er an den Plänen seines Vermieters nichts ändern kann. Doch es gibt eine Frage, die ihn nicht loslässt: „Wieso ist es nicht möglich, dass auch Asylbewerberfamilien hier mit einziehen?“

Theoretisch könnten im Papageienviertel Bischofswerda Flüchtlinge unterkommen, praktisch ist das unwahrscheinlich. Der Eigentümer bereitet weiter den Abriss vor.
Theoretisch könnten im Papageienviertel Bischofswerda Flüchtlinge unterkommen, praktisch ist das unwahrscheinlich. Der Eigentümer bereitet weiter den Abriss vor. © Steffen Unger

Peter Flemming weiß, was es heißt, ein Flüchtling zu sein. Mit neun Jahren musste er mit seiner Familie nach dem Krieg seine Heimat Breslau verlassen. „Überall hört man, dass die Plätze für die Flüchtlinge knapp sind, aber hier wird ein Block abgerissen, in dem genug Platz wäre“, sagt er angesichts aktueller Entwicklungen. Der Vermieter, die Wohnungsbaugenossenschaft „Einheit“ in Bautzen, hat den Rückbau von vier Hauseingängen an der Einstein-Straße fest eingeplant. „Der Abriss ist für das kommende Jahr vorgesehen. Denn mehr als 50 Prozent der Wohnungen dort stehen leer und das verursacht auch Unterhaltungskosten“, erklärt Vorstandsmitglied André Hassa. Zudem sei eine Sanierung dieser Wohnungen wesentlich teurer als der Abriss. – Die Situation rund um das Bischofswerdaer Papageienviertel stellt sich ganz ähnlich dar. Auch hier wird der Eigentümer, die städtische Wohnungswirtschaft und Bau GmbH abreißen, um aus wirtschaftlichen Gründen den durchschnittlichen Leerstand zu drosseln. Sanierung kommt für die WuB aus Kostengründen genauso nicht infrage. Es gibt Protest, seit die Pläne bekannt sind. Doch bis Ende nächsten Jahres, das bleibe das Ziel des Eigentümers, möchten alle Mieter ausgezogen sein, sagt Geschäftsführer Andreas Wendler. Danach werde der Abriss in die Wege geleitet, das sei alternativlos.

Problem mit der Heizung

Bernd Kirste wohnt in seinem Block im Papageienviertel schon fast allein. Nur noch drei der acht Wohnungen sind belegt. Hier Flüchtlingen Zugang zu verschaffen, kommt für die Wohnungswirtschaft und Bau GmbH nicht infrage. Zwar sei die Idee schon mal aufgetaucht, räumt der Geschäftsführer ein. Aber es geht, sagt er, der Heizung wegen nicht, die Häuser noch lange in Betrieb zu halten. Die Wohnungen im Papageienviertel haben jeweils ihre eigene Heizung, gefeuert wird mit Kohle. Für dieses System gibt es laut Wendler eine Ausnahmegenehmigung, die nur noch bis Ende 2016 gilt. Es müssten komplett neue Heizungsanlagen installiert werden, um die Gebäude bewohnbar zu halten. Was die aktuelle Heizung angeht, ist auch Bernd Kirste skeptisch. „Ob die Asylbewohner damit klarkommen würden?“

Der Landkreis ist für die Unterbringung der hier ankommenden Flüchtlinge verantwortlich. „Prinzipiell sind wir an der Anmietung von Wohnungen für die Unterbringung interessiert und praktizieren das auch“, sagt Sprecherin Sabine Rötschke. Abrisse stoppen kann der Landkreis aber nicht. „Für die Ausländerbehörde gibt es keine Handhabe, geeignete Objekte zu enteignen oder zwangsweise zu belegen.“

Keine Ghettos gewollt

Aus Kostensicht sei die Unterbringung in Wohnungen hingegen kein Problem. „Allerdings werden nur Wohnungen belegt, deren Miethöhe nicht diejenige übersteigt, welche für Sozialhilfeempfänger akzeptiert wird. Asylbewerber sollen bei der Unterbringung nicht besser gestellt werden als Empfänger von Sozialleistungen“, erklärt die Kreissprecherin. Momentan sind im Landkreis Bautzen 575 Asylbewerber in Wohnungen untergebracht. Zudem gibt es regelmäßig Verhandlungen mit Wohnungsgesellschaften zur Anmietung.

Wie schwierig die Unterbringung von Flüchtlingen momentan ist, wissen auch die Mitglieder vom Bürgerbündnis „Bautzen bleibt bunt“. „Die Aussagen von Herrn Flemming sind deshalb vollkommen richtig. Es ist wirklich absurd, dass Wohnraum abgerissen wird und woanders bauen wir Zeltstädte und Container auf“, sagt Sven Scheidemantel, Sprecher des Bündnisses. Doch er gibt auch zu bedenken, dass die Konzentration von vielen Asylbewerbern in einem Wohnblock keine Lösung sei. Denn Integration klappe nur, wenn die Asylsuchenden mit ihren deutschen Nachbarn Kontakt haben müssen. „Sonst entstehen Ghettos und die Flüchtlinge bleiben dann unter sich.“ Wohl vor allem deshalb sind Bischofswerdaer auch skeptisch bei dem Thema Asylbewerber ins Papageienviertel. Eine Bewohnerin von dort meint auf Anfrage, man solle lieber abreißen, statt Asylbewerber unterzubringen, „ich fürchte mich ansonsten vor Zuständen wie in Dresden oder Heidenau.“ „Es kann nicht sein, dass sie uns raus haben wollen, aber Asylbewerber aufnehmen“, sagt eine ihrer Nachbarinnen. – Noch mehr Wohnungen als jetzt werden Ende des Jahres im Papageienviertel Bischofswerda leer stehen. Die Mieter reagieren zunehmend mit Umzugsplänen auf den geplanten Abriss. Es sehe so aus, dass „ein großer Teil“ der noch verbliebenen Mieter bis zum Jahresende ausgezogen sein wird, sagte Geschäftsführer Wendler.

(mit S. Gebauer)