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Ein Patronengurt und zwei Kugellager als Beute

Der Dippser Schlossermeister Achim Zeiske sah als Junge, wie am 17. April 1945 einer der Bomber abstürzte. Er rannte hin.

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© Frank Baldauf

Ich bin Jahrgang 1934 und ein uralter Dippser. Am 17. April 1945 war ich elf Jahre alt. Ich weiß noch, es war ein sehr warmer Tag. Man konnte barfuß herumlaufen. Ich hatte nur Turnhosen und ein Sporthemd an. Ich war mit meiner Schwester in unserem Garten an der damaligen Adolf-Hitler-Straße, heute Dr.-Friedrichs-Straße. Da kam Fliegeralarm. Bis heim in den Keller war es zu weit. Also mussten wir im Garten auf die Entwarnung warten.

Wir sahen die Flieger aus Richtung Freiberg kommen. Die Flak hämmerte. Dann sah ich, wie bei einem der Flugzeuge die Tragfläche abbrach, ein Motor fiel heraus und dann stürzte alles brennend zur Erde. Ich dachte sofort an einen Flak-Treffer. Von einem Zusammenstoß mit einem anderen Flugzeug habe ich nichts bemerkt.

Nach der Entwarnung sind wir schnell nach Hause. Mein Vater war nicht da. Er war dienstverpflichtet bei der Technischen Nothilfe und räumte in Dresden Trümmer auf. Ich lief zu meinem Freund Heinz. Der hatte den Absturz auch gesehen. Wir wollten unbedingt hin. Wir waren scharf auf ein Funkgerät aus dem Flugzeug. Eine Frau, die von Oberhäslich kam, erzählte, dass das Flugzeug an der Teichmühle liegt. Jung und sportlich wie wir waren sind wir den ganzen Weg gerannt, immer die Fernverkehrsstraße 170 lang, die damals noch eine dichte Kastanienallee war.

Die Trümmer lagen verstreut im Tal am Hafterteich, alles silberglänzendes Aluminium. Manche brannten noch. Ein Motor hatte sich tief in den Dreck gebohrt. Oben am Reinberger Weg lag ein großes Rumpfteil. Da sind wir aber nicht hin. An der Teichmühle lag ein Stück vom vorderen Rumpf. Da sind wir reingeklettert. Tote habe ich da nicht gesehen. Ein paar ältere Jungs, so an die zehn, hantierten schon emsig. Weil wir aber kein Werkzeug mithatten, konnten wir nichts abschrauben.

Ich schaffte es, mir zwei herrliche Kugellager einzustecken. Ich hatte auch einen Gurt Maschinengewehrmunition gefunden. Den wollte ich mit nach Hause nehmen, um später die Geschosse abzukloppen und mit dem Pulver herumzuspielen. Ich hatte gerade mein Hemd hochgezogen, um mir die Patronen um den Bauch zu wickeln, da kam ein Seitenwagenmotorrad mit Wehrmachtspolizei, sogenannte Kettenhunde: ‚Was macht ihr hier!‘ Ich erschrak und sagte, ich wollte die Munition in Dipps auf dem Rathaus abgeben. Damit waren sie zufrieden. Wir haben gemacht, dass wir wegkamen.

Auf dem Weg zurück nach Dipps, griffen amerikanische Jäger an. Die schossen auf die Fernverkehrsstraße, wo ein großes Begängnis von Wehrmachtsautos war. Ich nahm an, das sollte die Rache für den abgestürzten Bomber sein. Zum Glück gab es die Kastanien. Das Geäst bildete ein dichtes Dach über uns, man konnte kaum den Himmel sehen. Wir haben uns in den Straßengraben geschmissen, so, wie wir das bei der Hitlerjugend gelernt hatten.

Zu Hause habe ich die Munition schnell versteckt und dann auf einem Feld vergraben. Meine Mutter hätte getobt, wenn sie mich damit erwischt hätte. Später haben wir dann wirklich das Pulver aus den Patronen geholt, damit Spuren gestreut und sie angebrannt. Die Kugellager lagen noch lange bei mir im Schrank. Ich habe sie 1955 in die Hinterradschwinge meines Motorrads eingebaut. Das war eine schrottreife 350er Triumph, die ich fast komplett neu aufbauen musste. Ich habe die Maschine dann verkauft. Der Käufer hatte natürlich keine Ahnung, dass darin auch Teile eines amerikanischen Bombers steckten.

Notiert von Jörg Stock