Merken

Ein Pass vom Deutschen Reich?

Weil sich ein Beschuldigter nicht zur Bundesrepublik zugehörig fühlt, lehnte er seinen Personalausweis ab. Nun stand er vor dem Amtsgericht.

Teilen
Folgen

Von Alexander Schneider

Nein, setzen wollte sich der 38-Jährige nicht und auch sonst überraschte der Beschuldigte den Richter mehrfach. Wegen Verstoßes gegen das Personalausweisgesetz „stand“ der Dresdner nun auch im Wortsinn eisern vor Bußgeldrichter Jochen Meißner am Amtsgericht Dresden. „Ich nehme nicht Platz, weil ich die Geschäftsordnung nicht anerkenne. Ich gehe mit Ihnen keinen Vertrag ein“, sagte der Mann und forderte seinerseits den Richter mehrfach auf, seinen Amtsausweis zu zeigen.

Der Beschuldigte wollte sich gegen ein Knöllchen der städtischen Bußgeldbehörde wehren, das er im Sommer vergangenen Jahres erhalten hatte. 100 Euro sollte er zahlen, weil er über Jahre seinen neuen Personalausweis nicht abgeholt hatte. Bereits im Juni 2010 hatte er das Dokument beantragt, es dann aber standhaft verweigert. Auch nach mehrfacher Aufforderung.

Die Erklärung des Totalverweigerers: „Als ich den Ausweis beantragt hatte, hatte ich noch nicht die Information, was es mit dem Personalausweis auf sich hat.“ Nämlich: Weil es die Bundesrepublik Deutschland offiziell gar nicht gebe, fühle er sich dem Deutschen Reich angehörig. Ihn störe schon die Formulierung: „Staatsangehörigkeit: deutsch“ in seinem Pass. „Deutsch“ sei keine Staatsangehörigkeit. „Das Land ,deutsch‘ habe ich noch nicht gefunden.“ Das Namensfeld im Ausweis stehe auch für eine „juristische Person“, keine natürliche. In einer eigens verfassten Erklärung beantragte er die „ordentliche Staatsangehörigkeit zum Deutschen Reich“: „Das sollte man zum Gegenstand dieser Verhandlung machen.“ Die BRD sei nicht die Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs, sagte er. Natürlich noch immer im Stehen.

Die Leiterin des Bürgerbüros Altstadt berichtete als Zeugin, dass der Mann mehrfach angeschrieben worden sei, seinen neuen Ausweis abzuholen. Der alte war längst abgelaufen. Mithin habe sich der 38-Jährige jahrelang nicht ausweisen können. „Ich weise mich mit meiner Geburtsurkunde aus“, entgegnete der selbst ernannte Reichs-Angehörige. Er werde genötigt, eine falsche Staatsangehörigkeit anzunehmen, sagte er in seinem letzten Wort.

Richter Meißner, man ahnt es schon, sah das anders. Er verurteilte den Beschuldigten zur Zahlung der 100 Euro: „Jeder ist verpflichtet, einen Ausweis zu besitzen.“ Der 38-Jährige kündigte nach dem Prozess an, die Entscheidung weiter anzufechten. Um einen falschen Eindruck zu vermeiden: Unter seinem Deutschen Reich verstehe er nicht das Dritte Reich der Nazi-Zeit: „Das ist ja meine Sorge. In der BRD wird noch immer Nazi-Recht angewendet.“