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Ein Paragraf, den keiner kennt

Ein Thiendorfer kracht gegen einen Telefonmast und kommt wegen „Störung von Telekommunikationsanlagen“ auf die Anklagebank.

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© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Thiendorf/Lötzschen. Der Straftatbestand, der vorige Woche vorm Amtsgericht Riesa verhandelt wurde, mutete schon etwas kurios an. Ein junger Mann war im Dezember 2016 zwischen Thiendorf und Lötzschen bei glatter Fahrbahn mit seinem Skoda in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Telefonmast gekracht. Es gab zwar keine anderen Unfallbeteiligten, aber am Mast entstand ein Sachschaden von etwa 2500 Euro. Eigentlich ein Versicherungsfall, wenn es da nicht den Paragrafen 317 des Strafgesetzbuches gäbe. Der stellt die „Störung von Telekommunikationsanlagen“ ausdrücklich unter Strafe.

Am Verkehrskurs teilnehmen

Deshalb erhob die Staatsanwaltschaft Anklage, war aber bereit, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. In einem Vorgespräch beim Amtsgericht wurde der heute 19-jährige Thiendorfer beauflagt, an einem Verkehrskurs teilzunehmen. Richter Herbert Zapf wartete allerdings vergeblich auf die Vollzugsmeldung. Deshalb landete der Thiendorfer doch noch auf der Anklagebank. „Soll ich Sie jetzt zu einem Ungehorsamsarrest verurteilen“, fragte Zapf den säumigen Verkehrssünder.

Natürlich nicht, er habe die Sache schlichtweg vergessen, so der junge Mann. Also wurde ihm noch einmal eindringlich ins Gewissen geredet und das Verfahren eingestellt. Allerdings muss der Thiendorfer seinen Kurs jetzt schnellstens nachholen – die „Störung von Telekommunikationsanlagen“ kann nämlich mit bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug geahndet werden. Er habe gar nicht gewusst, dass es einen solchen Paragrafen überhaupt gibt, gestand der erfahrene Richter Herbert Zapf nach der Verhandlung lächelnd ein.