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Ein offenes Ohr für Flüchtlingskinder

In der Asylunterkunft in der Berliner Straße kümmern sich Dresdner um die Kinder, die noch nicht zur Schule gehen.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Nicht alle Mädchen sind so ausgelassen wie die kleine Rosel und ihre Freundin Miriam. An jedem Wochentag sind die beiden Fünfjährigen ab 13 Uhr vor dem Spielzimmer ihrer Flüchtlingsunterkunft anzutreffen – obwohl das erst 14 Uhr geöffnet wird. „Die Kinder sind immer ganz aufgeregt“, sagt Kathrin Stramm. Die Dresdnerin ist von Anfang an dabei, kennt „ihre Rasselbande“ seit Oktober vergangenen Jahres, als die ersten Familien das ehemalige Hotel in der Berliner Straße bezogen.

Die Johanniter kümmern sich seitdem um die Bewohner, die vor allem aus Syrien und Afghanistan kommen. Derzeit wohnen 124 Menschen in der Unterkunft, darunter 25 Kinder aus 20 Familien. Schnell war klar, dass der Platz in den kleinen Hotelzimmern nicht ausreicht, wenn mehrere Kinder zur Familie gehören. Also entstand die Idee, in einem der Zimmer eine Spielecke einzurichten und Ehrenamtler für die stundenweise Betreuung des Flüchtlingsnachwuchses zu gewinnen.

Schnelle Hilfe von Dresdner Eltern

„Das war gar nicht so leicht“, berichtet Annegret Kupke, die eine Kita der Johanniter in Laubegast leitet. Denn zunächst fehlte es vor allem an Spielzeug. Kupke nutzte den Kontakt zu ihren Kita-Eltern und startete einen Spendenaufruf. Die Hilfsbereitschaft war groß: Es wurden Kleidung, Spielsachen, Malzeug und Bücher gesammelt. „Damit konnten wir den Flüchtlingen nach ihrer Ankunft hier in Dresden schnell helfen und auch die Spielecke einrichten“, berichtet die Kita-Leiterin. Annegret Kupke hat viel Zeit und Arbeit in das Projekt gesteckt – nicht nur, um das Zimmer schön zu gestalten, sondern auch, um die Ehrenamtler auf die Arbeit mit den Kindern vorzubereiten.

Für Kathrin Stramm war das keine Herausforderung: „Ich bastle total gern, das kommt bei den Mädchen natürlich gut an.“ So hat sie etwa schon Tanzröckchen mit den Kindern genäht – als Dank gab es sofort eine kleine Darbietung. Schüchtern sind Rosel und Miriam wirklich nicht. Sie nehmen Kathrin Stramm in Beschlag, fordern wildes Spiel genauso ein wie Kuscheleinheiten. Wie klappt das eigentlich mit der Verständigung? „Am Anfang mit Händen und Füßen“, sagt die Betreuerin lachend. Inzwischen sprechen viele der Kinder gut deutsch, obwohl sie keine Kita besuchen. Während Schulkinder definitiv einen Platz in einer Dresdner Einrichtung bekommen, reichen die Kita-Plätze nicht für alle Kleinen.

Umso dankbarer sind die Eltern, wenn sie Behördengänge oder Einkäufe einmal ohne die quirligen Mädchen erledigen können. Täglich zwischen 14 Uhr und 18 Uhr steht für sie die Spielecke offen. Dann machen sie mit Kathrin Stramm auch mal einen Obstsalat, malen Bilder oder toben einfach nur herum. Probleme gibt es mit den Kindern selten, berichtet die Ehrenamtlerin. Einmal gab es einen Elfjährigen, der mit seinem Vater allein aus Syrien geflohen war. „Seine Mutter ist in der Heimat geblieben, das hat Spuren bei dem Jungen hinterlassen“, sagt Kathrin Stramm.

Der Umgang mit ihm war schwierig, er hörte nicht auf die Betreuer. „Aber das ist bis heute eine Ausnahme.“ Wenn die Kinder Vertrauen gefasst haben, erzählen sie aber durchaus von Erlebnissen auf ihrer Flucht. Etwa ein Mädchen, das ganz nebenbei erwähnt, wie sie und ihre Familie während der Bootsfahrt über das Mittelmeer mit Eisenstangen geschlagen wurden. „Wir fragen zwar nicht gezielt danach, haben aber ein offenes Ohr für die Kinder“, sagt Kathrin Stramm.

Betreuer organisieren sich selbst

Die 49-Jährige teilt sich die Betreuungszeiten mit etwa 20 anderen Ehrenamtlern, darunter vor allem Studenten und Rentner. Auch ihr Sohn Robert ist mit im Team. Als alleinerziehender Vater bringt der 28-Jährige genug Erfahrung für die Arbeit mit den Flüchtlingskindern mit. Ein- bis zweimal in der Woche sind die Helfer in jeweils einer Vierstundenschicht im Einsatz. „Wenn jemand keine Zeit hat, kümmern wir uns selbst um einen Ersatz.“ Das klappt auch, wenn einer der Helfer ausscheidet.

Über die eigenständige Initiative der Betreuer freut sich auch Danilo Schulz. Als Regionalleiter für Öffentlichkeitsarbeit ist es ihm kürzlich gelungen, den Dresdner Verein Round Table für eine Spende von 1 500 Euro zu gewinnen. Damit wurden rosafarbene und hellblaue Kinderstühle und -tische, Spielsachen sowie ein Bettchen für die ganz Kleinen gekauft.