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Ein Name fehlt

Am Sonntag ist Volkstrauertag. Radebeuler wünschen sich, dass mehr für das Erinnern an die Gefallenen getan wird.

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Von Peter Redlich

Radebeul. Die schlichten Tafeln im Hain an der Radebeuler Lutherkirche zeigen Namen. Männer aus dem heutigen Radebeul, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Auf den Tafeln sind Löcher und Abplatzungen zu sehen. Der 92-jährige Karl Hausschild sagt: „Das sind Löcher von Pistolen- und Gewehrschüssen von sowjetischen Soldaten.“

Die Plakette zum Gedenken im Hain an der Lutherkirche wurde zu DDR-Zeiten entfernt.
Die Plakette zum Gedenken im Hain an der Lutherkirche wurde zu DDR-Zeiten entfernt. © Norbert Millauer

Die Namen von Gefallenen Radebeulern aus dem Zweiten Weltkrieg sind hier nicht zu finden. Der Radebeuler Thomas Vetter würde das gern ändern. Er würde sich wünschen, dass der Name seines Großvaters Helmuth Vetter und der anderen Radebeuler Väter und Großväter draufsteht. „Nicht aus irgendwelchen nationalistischen Gründen, sondern einfach um einen Ort zu haben, wo ich für meinen Vorfahren ein paar Blumen abstellen kann.“

Das Denkmal an die Weltkriegsgefallenen neben der Lutherkirche ist ungewöhnlich – kein Soldat, kein Stahlhelm, kein Kreuz. Eine Mutter mit Kind. „Es sind die Leidtragenden in der Heimat gewesen“, sagt Thomas Vetter. Am Fuße des Denkmals sind noch vier Bohrlöcher zu sehen. Hier war mal eine Plakette dran mit einem Spruch, der zumindest allgemein an die toten Radebeuler des Zweiten Weltkrieges erinnerte. Doch die Tafel ist verschwunden. Karl Hausschild sagt: „Das gefiel irgendjemanden in den politischen Wirren er 1950er-Stalinjahre nicht.“

Hauschild, der auch Mitglied im Volksbund deutsche Kriegsgräberfürsorge ist, fände es gut, wenn auch an der Lutherkirche die kleine Tafel mit den Erinnerungsworten an die Gefallenen vom Zweiten Weltkrieg wieder angebracht würde. „In dem kleinen Ortsteil Wahnsdorf haben es die Bürger doch auch hinbekommen, ohne Aufregung, aber in stillem Gedenken an ihre Gefallenen der Weltkriege zu erinnern“, so der 92-Jährige, der selbst zwei Jahre in die Wehrmacht musste und dafür fünf Jahre russische Gefangenschaft erlitt.

Erinnern möchte Thomas Vetter auch in Altkötzschenbroda. Hier steht ebenfalls ein Denkmal mit den Namen der Gefallenen Kötzschenbrodaer aus dem Ersten Weltkrieg. Mindestens ein Name fehlt allerdings, der von Max Alfred Vetter. Der Urgroßvater war Bäckermeister. Die Bäckerei soll sich schräg gegenüber vom Kuffenhaus befunden haben.

Das Denkmal auf dem Platz vor der Friedenskirche steht auf städtischen Grund. Es gehört auch der Stadt. Nach Initiativen der Radebeuler Reservistenkameradschaft und des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge hatte sich die Stadt Radebeul entschlossen, das Denkmal zu sanieren. Fast Zehntausend Euro wurden 2014 für Steinmetz- und Reinigungsarbeiten ausgegeben. Auch die Namen sollten erneuert werden.

Auf einer Stele, welche neben dem Denkmal aufgestellt wird, sollten die Gefallenen stehen. Auch der von Max Alfred Vetter. „Geschehen ist das bis heute nicht, obwohl ich mehrmals nachgefragt habe“, sagt Thomas Vetter enttäuscht. Beteiligte vermuten inzwischen sogar, dass die Kirchgemeinde gegen diese Vorhaben arbeitet. So erinnert sich Rolf Leitsmann von den Reservisten, dass 2014 bei der Einweihungsansprache zum sanierten Denkmal ohne eigentlichen Anlass die Kirchenglocken besonders lange geläutet wurden und die Worte des Kulturamtsleiters kaum zu verstehen gewesen waren. Auch würden an dem Denkmal regelmäßig die Müllsäcke zur Abholung abgestellt. Leitsmann: „Das gehört sich einfach nicht.“

Friedenskirche-Pfarrein Annegret Fischer sagt dazu, dass der Eindruck falsch sei. Sie wisse nichts von Meinungen, die gegen das Denkmal gerichtet sind.

Immerhin, in das Geschehen um den rechteckigen Stein auf dem Friedenskircheplatz scheint endlich Bewegung zu kommen. Kulturamtsleiter Lange sagt, dass im Kulturausschuss des Stadtrates dazu beraten werden soll. „Statt einer Stele mit den Namen drauf unterbreiten wir jetzt einen neuen Vorschlag. Auf der Stele wären die Buchstaben viel zu klein, um lesbar zu sein“, so Lange. Allerdings würde das neue Vorhaben auch teurer werden. Dazu müssten die Räte entscheiden.

Thomas Vetter kann jetzt, nach vielen Recherchen quer durch ganz Europa eindeutig nachweisen, dass sein Urgroßvater und sein Großvater in Frankreich und in Belgien gefallen sind. Die Aussicht, Max Alfred Vetter, dem Bäckermeister aus Kötzschenbroda, vielleicht im nächsten Jahr Blumen an einen Ort des Gedenkens stellen zu können, freut ihn. „Wenn dafür noch Spenden gesammelt werden müssen, ich würde mich beteiligen“, sagt Vetter.