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Ein Metallgerippe lockt Besucher in die Schwarze Straße

Eine Serie widmet sich den bestehenden und den vergessenen Denkmalen.Heute: Der Blechner

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Von Erich Feuerriegel

Am Eingang der Schwarzen Straße von der Brüderstraße aus steht eines der jüngsten Görlitzer Denkmale – eine handgeschmiedete Figur. Mit pfiffiger Miene führt ihr Blick auf ein auf den Unterarmen liegendes, aufgeschlagenes Buch. In einem zweiseitigen Text stellt sich der „Blechner“ dem Betrachter vor und fordert dazu auf, die Frage, ob er nun Kunst oder reines Handwerk sei, in einer Gaststätte auszudiskutieren.

Oft sieht man Besucher und Touristen erstaunt stehen bleiben, amüsiert den Text lesen und auch fotografieren. Er ist also zu einem der vielen Anziehungspunkte in Görlitz geworden.

Seine Entstehungsgeschichte ist eine Geschichte aus der Wendezeit in Görlitz. Sie berichtet von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Überganges zur Marktwirtschaft, von Unternehmergeist, Mut, die Dinge anzupacken und – ja, auch vom Glück der Tüchtigen.

Bereits zu DDR-Zeiten gab es in der Schwarzen Straße die Glasmacherwerkstatt von Rainer Trumpf. Seine Erzeugnisse waren gefragt und fanden guten Absatz. Doch dann kam die politische Wende. Die Menschen kauften nunmehr vorwiegend „Westprodukte“, die Nachfrage auch nach seinen Erzeugnissen ließ nach und brach schließlich ganz ein. Herr Trumpf suchte dringend nach einer Geschäftsidee bzw. einem Partner, um sein Geschäft wieder anzukurbeln. Dies führte 1993 zu einem Gespräch mit dem damals in der Marketingbranche tätigen Axel Krüger. Dieser scharte Studenten und Jugendliche aus verschiedenen Berufen um sich, die gemeinsam die Idee entwickelten, im Haus der Glasmacherwerkstatt eine Gaststätte zu gründen, von der aus man dem Glasmacher bei der Arbeit zuschauen konnte. So entstand die Gaststätte „Glashaus“, deren Mietkosten die Gruppe übernahm.

Für den Sommer gleichen Jahres organisierte sie auf dem Untermarkt ein „Laubenfest“. Auf diesem Fest trat ein Spielmann auf, der die Besucher zum „Glashaus“ führte. Da aber die Schwarze Straße damals noch nicht saniert und für Fremde auch nicht leicht zu finden war, musste eine weitere Werbung her. Es sollte aber auch nicht nur ein einfacher Werbeträger sein. Nach langen Diskussionen trat Mitbegründer Schmiedemeister Uwe Lehmann in Aktion und schuf in seiner Werkstatt diese Figur, die von der Gruppe mit Begeisterung aufgenommen wurde. Man fragte bei der Behörde nach, ob man ihn an dieser Stelle aufstellen dürfe. Zunächst stellte diese die Forderung, einen Bauantrag zu stellen. Der Gruppe war dies mit zuviel Formalität und Zeit verbunden und sie stellten die Figur erst einmal probehalber auf.

In der Sächsischen Zeitung wurde die Bevölkerung gebeten, einen Namen für die Figur zu finden. Zur allgemeinen Heiterkeit gab es auch den Namen „Blechner“. Der Zufall wollte es, dass auch Matthias Lechner zu den „Glashaus“-Gästen zählte, der damalige Oberbürgermeister. Man fasste diese Gelegenheit beim Schopfe, berichtete ihm von der Namensidee und bat ihn, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Der OB bewies Humor für das kleine Wortspiel mit seinem Namen und stimmte sowohl der Aufstellung als auch der Namensgebung zu, sodass der „Blechner“ noch am gleichen Abend getauft werden konnte. Es erschien daraufhin in der Presse ein weiterer Bericht, in welchem bereits der Name „Blechner“ genannt wurde.

Dieser ist inzwischen bei Görlitzern und Besuchern zu einer festen Größe geworden. Später kam es zur Schließung des „Glashauses“, das Nachbarhaus wurde saniert, und 1996 öffnete hier das „Salü“, auf welches der „Blechner“ mit seinem Buch heute hinweist.

Inzwischen hat er am Eingang zum Untermarkt 22 (Flüsterbogen) einen kleinen Bruder bekommen. Es kam auch die Idee auf, noch weitere Figuren für verschiedene Sehenswürdigkeiten der Stadt zu schaffen, aber dies wurde bisher nicht verwirklicht. Doch was nicht ist, das kann durchaus ja immer noch werden.