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Ein Meister aus Demitz

Clemens Modrakowski fertigte an der Steinmetzschule eine Sandsteinsäule an. Sie soll Jahrhunderte überdauern.

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© Ronald Bonß

Ingolf Reinsch

Demitz. In Demitz werden Meister gemacht. Keine Meister im Sport. Stattdessen Handwerksmeister, deren Leistungen meist das Edelmetall für Jahrzehnte, oft sogar Jahrhunderte überdauern. Der Anspruch, Bleibendes zu schaffen und dafür etwas Handfestes zu tun, stand für Clemens Modrakowski am Beginn der Entscheidung, Steinmetz zu werden. Der Dresdner lernte an der Zwinger Bauhütte seiner Heimatstadt. Das theoretische Rüstzeug für seinen Beruf erwarb er an der Demitzer Steinmetzschule. Nach der Lehre arbeitete er einige Jahre als angestellter Geselle, vor allem in der Restaurierung, und machte sich dann selbstständig. Seit 2011 ist er freiberuflicher Bildhauer, hat seine Werkstatt jetzt in Pirna. Schon damals stand für ihn fest, dass er sich irgendwann noch mal auf die Schulbank setzen und parallel zur Arbeit seinen Meister machen wird. Trotzdem war das für den jetzt 29-Jährigen keine leichte Entscheidung. Frau und vier Kinder, die eigene, junge Firma und dann auch noch das Meisterstudium, das ihn zurück nach Demitz führte, wollten zeitlich getaktet sein. Doch Clemens Modrakowski hat es dank guten Zeitmanagements geschafft. Seit vergangenem Jahr ist er Steinmetzmeister – und zu Recht stolz darauf.

Meisterstück steht im Bautzener Dom

Mindestens genauso wichtig wie sein Meisterbrief ist für ihn sein Meisterstück. Er fertigte es im vergangenen Frühjahr in Demitz an. Jetzt steht es an einem markanten Ort – mitten im katholischen Teil des Bautzener Doms St. Petri, wo es von allen Seiten gut zu sehen ist. Das Meisterstück des Dresdners ist eine etwa 1,20 Meter hohe Säule aus Cottaer Sandstein, die einen reich verzierten Tabernakel trägt. Ein Tabernakel ist eines der wichtigsten Heiligtümer während eines katholischen Gottesdienstes. In ihm werden Hostien aufbewahrt, die in einer Messe übrig geblieben sind. Im „Brot des Lebens“ ist Gott im Verständnis der katholischen Christen bei ihnen. Die Kniebeuge vor dem Tabernakel gilt also nicht dem Schrank, sondern seinem Inhalt. Die Hostien werden im Tabernakel aufgehoben, um sie bei Bedarf den Kranken zu bringen oder bei der „Wegzehrung“ einem Sterbenden zu reichen.

Dompfarrer Veit Scapan hatte sich 2014 an die Demitzer Steinmetzschule mit der Bitte gewandt, eine solche Tabernakelsäule zu bauen. Clemens Modrakowski nahm die Herausforderung an. Die Arbeit beschäftigte ihn ein ganzes Jahr. Er legte vier Entwürfe vor und fertigte von dem favorisierten ein Modell an, ehe er begann, den Sandstein zu bearbeiten. Er wollte etwas schaffen, was dem jahrhundertealten Bautzener Dom baulich und ethisch gerecht wird, aber auch moderne Formen berücksichtigt und dabei zugleich zeitlos wirkt, sodass es „auch in 50 Jahren als geschmackvoll gelten könnte“, wie er sagt.

So wie die Säulen des Domes besteht auch die Tabernakelsäule aus acht Ecken. Auf jeder sind fünf Ovale zu sehen, insgesamt sind es also 40. Diese Zahl 40 spielt in der biblischen Geschichte und der kirchlichen Tradition eine wichtige Rolle. 40 Tage dauert die Fastenzeit. 40 Tage Regen brachten die Sintflut hervor. 40 Tage nach der Geburt des Jesuskindes wird es im Tempel von Hanna und Simeon als Erlöser anerkannt, nennt Clemens Modrakowski einige Beispiele. Wer dem jungen Handwerksmeister zuhört, merkt schnell: Er hat sich nicht nur handwerklich, sondern auch inhaltlich mit seinem Meisterstück intensiv beschäftigt. Das eine wäre ohne das andere bei einem so anspruchsvollen Auftrag wohl auch nicht möglich gewesen.

Kreatives Handwerk

Der 29-Jährige schwärmt von seinem Beruf, schätzt daran neben dem Handwerklichen vor allem die Möglichkeit, kreativ tätig zu werden – egal, ob es um die Restaurierung einer historischen Arbeit oder um den Entwurf eines individuellen Grabsteins geht. Seine zweifache Zeit in Demitz möchte er nicht missen, weder die Lehrzeit noch den Meisterkurs. Beides war eine gute Schule, die nachwirkt, sagt er. Im Meisterkurs waren sie 16 Steinmetzen aus den neuen Bundesländern. „Wir waren eine tolle Truppe, zu vielen halte ich Kontakt“, sagt Clemens Modrakowski.

So halten es auch die zahlreichen Dresdner Steinmetzen und Steinbildhauer. Auch wenn sie auf dem Markt Mitbewerber sind, so pflegen sie doch eine Zusammenarbeit, gehen am Abend gelegentlich auch mal zusammen ein Bier trinken. Ein faires Miteinander gehört zur Berufsehre – und zum Geist, den so gut wie alle mitteldeutschen Steinmetzen der Gegenwart von ihrer Demitzer Schule, der einzigen Steinmetzschule in den neuen Bundesländern, für ihre Arbeit mitgenommen haben.

Tag der offenen Tür in der Steinmetzschule Demitz-Thumitz, August-Bebel-Straße 17: Sonnabend 9 bis 12 Uhr mit Informationen zur Steinmetzausbildung und zur Fachoberschule Gestaltung