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Ein Marder für gewisse Wochen

Bei Zoopflegerin Kerstin Kunadt dreht sich auch privat alles um Tiere. Derzeit trägt sie ein kleines Raubtier auf dem Bauch.

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© sächsische zeitung

Von Juliane Richter

Irgendetwas fiept. Kerstin Kunadt streichelt beruhigend über ihren Bauch und kichert mädchenhaft. Unter dem typisch grünen Pullover, ihrer Arbeitskleidung im Dresdner Zoo, trägt sie Nachwuchs. Allerdings nicht ihren eigenen, denn Sohn Silvio ist selbst schon erwachsen und ebenfalls Tierpfleger. Nein, die Körperwärme soll einem kleinen Marder bei der Verdauung helfen. Vor knapp zwei Wochen haben Naturschützer den Winzling bei Kerstin Kunadt abgegeben.

„Bei Baumfällarbeiten in Pillnitz haben sie den Kleinen gefunden. Die Geschwister hatte die Mutter wohl schon weggeschleppt“, sagt die 50-Jährige. Weil der Marder ohne fremde Hilfe nicht überleben würde, ist er in den kommenden Wochen ihr ständiger Begleiter. Morgens um sechs Uhr gibt es das erste Mal Katzenmilch mit Fencheltee aus dem Fläschchen. Und von da an hat ihr Schützling alle drei Stunden Hunger – bis Mitternacht. Damit die Verdauung nach dem Essen funktioniert, bindet sie ihn sich um den Bauch. Und passend zum Wintereinbruch der vergangenen Woche kuschelt sich der Marder in eine typisch rote Weihnachtsmannmütze mit breitem, weißen Saum. „Ich kaufe jedes Jahr zur Adventszeit einige. Die sind nicht nur schön warm, sondern auch gut waschbar“, sagt Kunadt.

Über das Jahr hat sie einen ordentlichen Mützenverbrauch – denn sie zieht alles auf, was ihre Hilfe brauchen könnte. Mal sind es Eichhörnchen, oder wie zuletzt einige Igel, die sie durch den Winter gebracht hat. Überall in ihrem Haus finden sich Körbchen oder Volieren für die zurückgebliebenen Jungtiere.

Den größten Aufwand hat sie bisher für drei Schwanzmeisen betrieben. Alle 35 Minuten mussten diese gefüttert werden. „Wenn man die Zeit nicht genau einhält, geht die Verdauung kaputt. Aber ich habe zwei von drei groß bekommen“, sagt sie stolz. Ihr Motiv sei die reine Tierliebe. Die Arbeit im Zoo füllt sie schon gänzlich aus, doch auch zu Hause braucht sie – neben den beiden großen Hovawart-Hunden – noch tierische Abwechslung. Wenn sie und ihr Ehemann verreisen, hüten dann meist der Sohn und seine Freundin, die als Tierarzthelferin arbeitet, die Schützlinge.

Bald beginnt das Auswildern

Den kleinen Marder gibt Kerstin Kunadt derzeit aber nicht aus der Hand. Kleine Streicheleinheiten gehören genauso zu ihren Aufgaben wie die Körperpflege. Die war beim ersten Kennenlernen durchaus zeitaufwendig. „Der Kleine war voller roter Flöhe. Das waren bestimmt um die 150 Stück.“ Da er zu diesem Zeitpunkt maximal eine Woche auf der Welt war, ist an Waschen nicht zu denken. Also hat die Pflegerin jeden einzelnen Floh mit der Pinzette abgelesen.

Angst, dass ihre Bindung zum Tier zu eng werden könnte, hat sie nicht. Und so verfolgt sie auch beim Marder den Plan, ihn wieder auszuwildern, wenn er erwachsen ist. Das müsse man nur schlau anstellen – zum Beispiel, indem sie ihn rechtzeitig in eine Voliere setzt, ihm nur das Futter gibt und keinerlei Körperkontakt mehr zulässt. Die Naturschützer, die ihn gefunden haben, wollen beim Auswildern helfen. Am besten wieder in Pillnitz, wo er geboren wurde. Doch zunächst einmal muss der nur etwa zehn Zentimeter kleine Marder ausreichend zu Kräften kommen. Erst mit fünf bis sechs Lebenswochen öffnen sich seine Augen. Wenn er dann seine Ernährung umstellt, gehören Insekten, Eier und auch Früchte auf seinen Speiseplan.