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Ein Mann für viele Fälle

Ex-Staatssekretär, fünffacher Ex-Präsident und Ehrenpräsident. Henry Hasenpflug ist jetzt im Ruhestand. Aber geht das eigentlich bei einem wie ihm?

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Von Sven Görner

Dass ein Staatssekretär vor versammeltem Volk eine himmelblaue Dederon-Kittelschürze übergestreift bekommt, ist sicher nicht die Norm. Doch die Radeburger Narrenrichter, die Henry Hasenpflug auf diese Weise vor Jahresfrist schon einmal für seinen da bereits absehbaren Ruhestand einkleideten, dürfen das. Denn Henry Hasenpflug und der Karneval gehören zusammen. Schließlich ist er nicht nur in Radeburg geboren, sondern stand ab 1982 auch acht Jahre an der Spitze des Radeburger Carnevals Clubs. Und als Ehrenpräsident gehört er auch heute noch dazu.

Wenn Henry Hasenpflug erzählt, hört man gern zu. Der Staatssekretär a.D. kann nicht nur komplizierte Dinge verständlich machen, sondern er versteht es auch, Pointen zu setzen. Kein Wunder, schließlich ist der Ur-Radeburger seit Jahren auch durch und durch
Wenn Henry Hasenpflug erzählt, hört man gern zu. Der Staatssekretär a.D. kann nicht nur komplizierte Dinge verständlich machen, sondern er versteht es auch, Pointen zu setzen. Kein Wunder, schließlich ist der Ur-Radeburger seit Jahren auch durch und durch © Anne Hübschmann

Zum Einsatz ist das auffällige Kleidungsstück bisher nicht gekommen, verrät das Radeburger Urgestein. Dabei hätte es seit dem 30. November – dem Tag seiner Verabschiedung als Kultur- und Wissenschafts-Staatssekretär in Dresden – dafür schon manche Gelegenheit gegeben. Etwa beim Ausräumen diverser Umzugskisten, deren Inhalt nun im heimischen Arbeitszimmer Platz finden muss. Inzwischen, so sagt der 66-Jährige und schmunzelt dabei schelmisch, ist er aber zumindest resozialisiert. Was er damit meint? „Seit Jahresbeginn habe ich ein eigenes Handy und auch eine private E-Mail-Adresse.“ Beides brauchte Henry Hasenpflug in den vergangenen Jahren nicht, war er doch wegen seiner faktisch ständig erforderlichen Erreichbarkeit auch entsprechend ausgestattet.

Eigentlich hätte Henry Hasenpflug schon Ende November 2013 aufhören können. Doch wie so oft in den letzten 25 Jahren folgte er wieder einmal einer an ihn herangetragenen Bitte und blieb ein weiteres Jahr Staatssekretär. Dass er diesen Job sogar noch 14 Tage unter der neuen SPD-Ministerin Eva-Maria Stange bekleidete, ist dann aber doch nicht alltäglich.

Anderseits passt das zur Karriere des Radeburgers, die nicht zuletzt auch deshalb ungewöhnlich ist, weil Henry Hasenpflug nie einer Partei angehörte. Nichtsdestotrotz arbeitete er an Entscheidungen mit, denen es an politischer Brisanz nicht fehlte. Wie etwa als Referatsleiter im Innenministerium wo er maßgeblich an der Kreis- und Gemeindegebietsreform mitwirkte. Beworben hatte er sich um diesen Job nicht. Aber als promovierter und habilitierter Sozial- bzw. Wirtschaftsgeograf brauchte er 1991 auch keine lange Bedenkzeit, um das Angebot anzunehmen. Bei diesem ging es übrigens zunächst nur um eine Referentenstelle. Referatsleiter wurde Henry Hasenpflug ein halbes Jahr später, als sein Chef zurück nach Stuttgart ging.

„Diese Zeit war interessant, aber auch alles andere als vergnügungssteuerpflichtig“, sagt der Radeburger in der Rückschau. Schließlich war der Widerstand gegen die geplanten Zusammenschlüsse von Kommunen und Landkreisen in den meisten Fällen größer als die Zustimmung. Noch gut in Erinnerung ist das lange und massive Gegenhalten des Kreises Dresden-Land, zu dem ja auch Hasenpflugs Heimatstadt gehörte.

Doch wie sagt das Sprichwort: „Viel Feind, viel Ehr‘“. Als die Zeit des Gestaltens vorbei war und es bei der Gebietsreform eigentlich nur noch um das Ausarbeiten der Schriftsätze ging, wurde gerade ein neuer Präsident für das Statistische Landesamt gesucht. Henry Hasenpflug bewarb sich wie 26 andere auch und übernahm schließlich 1998 das Amt. Einen andern Präsidentenposten gab der Radeburger dagegen ein Jahr später ab: den im Landesverband der Karnevalisten.

Mit seinem neuen Amt wurde er Chef von 450 Festangestellten und 100 befristeten Mitarbeitern. Für den damals 50-Jährigen stand fest: „Das ist ein Job, den ich bis zur Pensionierung machen kann. Allerdings habe ich dabei das Kleingedruckte etwas außer Acht gelassen.“ Denn in seinem neuen Amt war er in persona auch Landeswahlleiter. Durch die Bundestagswahl ´98 und die Landtagswahl ´99 stand er damit wieder im Blick der Öffentlichkeit.

Und so klingelte im Frühsommer 2000 das Telefon und das Sekretariat des Innenministers fragte an, wie lange er nach Dresden brauchen würde. „Ich habe gesagt zwei Stunden. So hatte ich noch eine Stunde Zeit, um meine Abteilungsleiter zusammenzunehmen und zu fragen, ob es etwas gibt, was ich wissen muss.“ Zeitgleich kam über den Ticker die Info, dass der Chemnitzer Regierungspräsident Staatssekretär wird. „Diesen Job wollte ich nicht und darum suchte ich während der Fahrt nach den richtigen Gegenargumenten.“ Doch der Minister meinte nur: „Darüber reden wird nicht.“ Gemeint war der Posten des Dresdner Regierungspräsidenten. Henry Hasenpflug bekam 14 Stunden Bedenkzeit. Am nächsten Tag sollte es in den Urlaub gehen. Keine leichte Entscheidung. „Denn als Regierungspräsident ist man politischer Beamter und kann damit sofort und ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand geschickt werden.“ Er sagte dennoch zu und übernahm die Behörde zum Jahresende.

„Mit fast zehn Jahren hatte ich dort meine längste berufliche Standzeit“, sagt Henry Hasenpflug. In diese fielen der umstrittene Bau der Waldschlösschenbrücke ebenso wie die letzten beiden Abschnitte der A 17. Aber auch die Jahrhundertflut 2002. „In dieser Ausnahmesituation hat man gesehen, was alles geht, wenn Verwaltungsdinge vereinfacht werden.“

Ministerpräsident Stanislaw Tillich höchstselbst war es schließlich, der dem Radeburger 2010 den letzten Wechsel seiner Karriere verkündete. Eine Woche hatte er Zeit, um von der Staufenbergallee ins Ministerium auf der Wigardstraße zu wechseln. Die Umwandlung der Landesbühnen in eine GmbH, die Suche nach einem neuen Direktor für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, das neue Hochschulgesetz und auch der Porzellan-Vergleich mit den Wettinern fallen in seine Zeit als Staatssekretär.

Bei all dem drängt sich die Frage auf, wie diese politischen Jobs zu einem bekennenden Karnevalisten passen? „Es ist manchmal unheimlich schwer, komplizierte Sachverhalte einem anderen anschaulich zu vermitteln. Meine Erfahrungen als Karnevalist haben mir nicht nur geholfen, Sachen auf den Punkt zu bringen, sondern auch, manches nicht so verbissen zu sehen“, sagt der Radeburger. „Zudem lassen sich kritische Dinge meist leichter vermitteln, wenn man sie in eine kleine Geschichte verpackt.“ Zudem habe er in all den Jahren eine wichtige Maxime gehabt: „Mir war es immer wichtig, Dinge zu lösen, ohne Verletzungen herbeizuführen.“

Und wie geht es nun weiter mit dem Ex-Staatssekretär und dreifachen Ex-Präsidenten? „Mir hat einmal jemand einen Tipp für den Ruhestand gegeben: Ich soll alle Wünsche, die an mich herangetragen werden, in eine große Kiste packen und drei Monate später nachsehen.“ Das soll helfen, nicht gleich bei der ersten Sache zuzusagen, sondern das heraus zu suchen, was man selber gern möchte.

Mittlerweile liegt schon einiges in der virtuellen Kiste. Eines weiß Henry Hasenpflug schon jetzt: Führungsfunktionen im Karneval strebt er nicht mehr an. „Alles hat seine Zeit. Die Rolle des Genusskarnevalisten, der bei der Prunksitzung, dem Tollitätentreffen und dem Umzug dabei ist, reicht mir.“ Vorerst, schiebt er schnell nach. Und da ist es wieder, das schelmische Lächeln.

Nichtsdestotrotz hat der 66-Jährige jetzt die Zeit vor dem tollen Wochenende in Rabu genutzt, um seinen karnevalistischen Horizont zu erweitern. Gemeinsam mit seiner Frau schaute er sich in Luzern bei der Fasnacht in der Zentralschweiz um. Aber natürlich war er rechtzeitig zum Narrengericht am Sonntag früh wieder in Radeburg. Denn was wäre ein Verhandlungstag der närrischen Gerichtsbarkeit ohne den Dauerdelinquenten Henry Hasenpflug. Eine Frage nach seiner Kittelschürze blieb ihm erspart. Dabei hätte er für die Antwort vermutlich sogar Wohlwollen geerntet. „Ich wollte sie eigentlich zum Kochkurs für Männer anziehen, den mir meine Kollegen zum Abschied geschenkt haben. Das wurde aber nichts, weil der Veranstalter einheitliche Schürzen gestellt hat.“