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Ein Lenkmanöver vor dem Knall

Noch immer ist unklar, wie es zu dem schweren Busunglück auf der A4 in Dresden kommen konnte. Menschliches Versagen ist eine Ermittlungsrichtung.

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© Eric Münch

Von Thomas Schade und Ulrich Wolf

Für die Ermittler der Dresdner Mordkommission ist der Tod nichts Ungewöhnliches. In den vergangenen 48 Stunden hatten sie jedoch eine Aufgabe, die auch in ihren Reihen als besonders traurig gilt. Sie mussten die Opfer des schweren Busunglücks identifizieren, das sich in der Nacht zum Sonnabend auf der Autobahn 4 ereignet hatte.

Bis gestern konnten acht der nun insgesamt elf Toten identifiziert werden. Demnach handelt es sich um drei Polinnen im Alter von 38, 49 und 75 Jahren sowie fünf Polen im Alter von 32, 36, 38, 39 und 56 Jahren. Namentlich bekannt sind die beiden Opfer aus dem Reisebus des Unternehmens Sindbad. Von den Insassen des Kleinbusses sind bisher nur sechs identifiziert. In dem Transporter waren neun Personen unterwegs nach Polen. Von ihnen überlebte keiner das Unglück.

Alle beteiligten Fahrzeuge wurden beschlagnahmt. Sie werden durch Gutachter der Dekra Dresden untersucht. Niederlassungsleiter Jens Walther wollte sich zum Unfallhergang gestern nicht offiziell äußern und verwies auf das laufende staatsanwaltschaftliche Verfahren. Das konzentriert sich auf den 44-jährigen Busfahrer. Er war bisherigen Erkenntnissen zufolge bei der Fahrt ins Elbtal nicht zu schnell unterwegs. Unklar ist, warum er den vor ihm fahrenden ukrainischen Reisebus nicht eher wahrgenommen hatte. Experten gehen nach ersten Besichtigungen der Unfallbusse davon aus, dass der 44-Jährige unmittelbar vor der Auffahrt auf den ukrainischen Bus durch ein Lenkmanöver das Ärgste noch verhindern wollte. Wie ein Polizeisprecher sagte, gebe es derzeit keine Hinweise, dass der vorausfahrende Bus durch ein plötzliches Bremsmanöver den Unfall mitverursacht haben könnte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist eine Ermittlungsrichtung menschliches Versagen.

Der Fahrer hatte keine Angaben zum Unfallhergang gemacht und war nach einer Vernehmung beim Haftrichter aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte Fluchtgefahr als Haftgrund geltend gemacht, so Oberstaatsanwalt Lorenz Haase. Das Gericht sah das aber anders. Dem Vernehmen nach lebt der 44-jährige Unglücksfahrer in gesicherten sozialen Verhältnissen und hat zwei Kinder. Er ist der einzige Beschuldigte.

33 Reisende in Krankenhäusern

Wie das Reiseunternehmen gestern mitteilte, besitzt der Unglücksfahrer seit 1996 den Busführerschein und arbeitet seit 2006 für die Firma Sindbad. Firmenchef Ryszard Wojcik erklärte, der Fahrer habe eine bis zum April 2014 gültige ärztliche Bescheinigung. Der Mann sei noch im Krankenhaus und stehe unter Schock. 33 Reisende würden noch in Dresdner Krankenhäusern liegen, so die Firma. Sindbad übernehme für Angehörige die Kosten für Transport und Unterkunft, wenn sie ihre Verwandten in Dresden besuchen wollten. Die meisten Fahrgäste stammen aus Schlesien (23) und Niederschlesien (25). Die drei Besatzungsmitglieder, zwei Fahrer, ein Begleiter sind aus Oppeln. Der Unglücksbus der Marke Setra 431 DT sei 2006 zugelassen worden, so Wojcik gestern in Opole. Die letzte technische Überprüfung habe am 8. Juli stattgefunden.

Zu den Zeugen, die bisher vernommen wurden, gehört auch der zweite Fahrer des Busses. Beide sind dem Vernehmen nach seit drei Jahren zusammen unterwegs.

Zwischen 19 und 20 Uhr, hier schwanken die Angaben des Reiseunternehmens und des Beifahrers, hatte der Bus seine Fahrt in Opole begonnen. Vorher soll die Besatzung nach übereinstimmenden Angaben zwölf Stunden freigehabt haben. Der erste Fahrer fuhr demnach von Opole bis etwa zehn Kilometer vor Görlitz. In dem grenznahen Ort Zarska pausierte die Crew 50 Minuten. Danach übernahm der zweite Fahrer um 0:23 Uhr das Lenkrad. Unklar blieb, ob der Bus auf dem Weg nach Dresden von der Polizei kontrolliert wurde. Nach rund eineinhalb Stunden kam es kurz hinter der Anschlussstelle Dresden-Neustadt zu dem folgenschweren Unfall.

Alle Informationen zum Busunglück: www.sz-link.de/busDD