Merken

Ein letzter Gang durchs Fernmeldeamt

Am Postplatz sollen neue Apartments entstehen, doch dafür muss das alte Gebäude weichen. Zeit für einen Besuch.

Teilen
Folgen
NEU!
© Sven Ellger

Von Nadine Franke

Dresden. Das alte Fernmeldeamt am Postplatz steht noch immer. Eigentlich gab es den Plan, dass der Abriss des alten DDR-Gebäudes im Juni beginnen sollte. Aber noch immer wird Asbest aus dem Gebäude geschafft. Bis 2019 will die CG-Gruppe an diesem Platz einen Neubau mit 177 Apartments errichten. Doch es wird noch etwas dauern, bis die Bagger das Gebäude abtragen. So war es einer kleinen Gruppe Architekten dank der Bürgerinitiative Ostmodern möglich, ein letztes Mal in das Fernmeldeamt zu gehen.

Staub, Scherben und Baureste liegen in den verlassenen Gängen des Fernmeldeamts. Nichts erinnert mehr an seine Funktion. Die einzige Technik, die noch übrig ist, sind die Baugeräte für den Abriss.
Staub, Scherben und Baureste liegen in den verlassenen Gängen des Fernmeldeamts. Nichts erinnert mehr an seine Funktion. Die einzige Technik, die noch übrig ist, sind die Baugeräte für den Abriss. © Sven Ellger
Das Fernmeldeamt ist leer. Alte Kabel hängen noch von der Decke zwischen den kahlen Stahlträgern. Im Inneren des DDR-Gebäudes ist nur noch der Rohbau übrig. Alle Verkleidungen wurden bereits abgetragen.
Das Fernmeldeamt ist leer. Alte Kabel hängen noch von der Decke zwischen den kahlen Stahlträgern. Im Inneren des DDR-Gebäudes ist nur noch der Rohbau übrig. Alle Verkleidungen wurden bereits abgetragen. © Sven Ellger
Die Studenten Claudio Doering und Emily Winkler stehen zum letzten Mal auf dem Dach des Gebäudes, das sie studiert haben. Für ein Architekturseminar an der TU haben sie sich mit der Baugeschichte am Postplatz befasst.
Die Studenten Claudio Doering und Emily Winkler stehen zum letzten Mal auf dem Dach des Gebäudes, das sie studiert haben. Für ein Architekturseminar an der TU haben sie sich mit der Baugeschichte am Postplatz befasst. © Sven Ellger

Hinter der schweren Tür hängt ein Schild: „Betreten für Unbefugte verboten.“ Stehen bleibt niemand. Das Schild ist schwer im dunklen Gang zu erkennen. Nur wenig Licht kommt durch die verhangenen Fenster. Handylampen leuchten auf, damit die letzten Besucher des Fernmeldeamts sehen, wohin sie treten. Früher wurden hier Telekommunikations-Dienstleistungen für die Deutsche Post bereitgestellt. Heute liegen nur noch Überreste der Abrissarbeiten herum.

Die Luft riecht nach Staub. Vereinzelt knirscht es unter den Füßen. Die beiden Architekturstudenten Emily Winkler und Claudio Doering gehen vorneweg. „Wir sind nicht zum ersten Mal hier“, sagt Emily Winkler. Sie kennt das Fernmeldeamt sehr genau. Im Wintersemester hat sie eine Seminararbeit über die Gebäudegeschichte verfasst. Ihr ist es gelungen, nicht nur den Architekten Wolfram Stark, sondern auch die alten Baupläne zu finden. So weiß sie, wohin die Stufen vor ihr führen.

Bis in den fünften Stock gelangt die Gruppe über die Treppe. Im Vorbeigehen können Eindrücke des alten Gebäudes erhascht werden. Eine Holzleiter steht mitten im Treppenhaus. In manchem Raum liegen Scherben und Baureste auf dem Boden. Holzleisten ragen aus einem Gang. Eine Tür ist zur Hälfte erhalten und gibt einen Blick auf alte Stühle frei.

Als die Treppe endet, geht die Gruppe in einen offenen Raum. Eine Taube schreckt auf und fliegt durch ein Fenster ohne Glas. Die Wandverkleidungen sind verschwunden und zeigen die verbauten Backsteine. Links im Raum liegen Reste einer Wand auf dem Boden, rechts ein Scherbenhaufen. Kabel hängen von der Decke. An den Wänden sind noch Spuren zu sehen, dass früher die Decke abgehangen und der Boden in den 4,80 Meter hohen Räumen hochverlegt war. „Dort wurden Technik und Kabel untergebracht“, sagt Claudio Doering, der sich mit der Baugeschichte des Postplatzes befasst hat.

Für ihn und Emily Winkler ist das Gebäude etwas Besonderes. „Es war damals ein sehr moderner Bau. Das Objekt wurde für den Standort entwickelt.“ Es stört Winkler, dass es viele als „hässlichen Klotz“ bezeichnen. Niemand achtet mehr auf die architektonischen Merkmale. Die Fassadengestaltung aus Sandstein nimmt hinter den Graffitis kaum noch jemand wahr. Die eigentliche Besonderheit zeigt sich aber erst im Inneren. Emily Winkler zeigt auf die Stahlträger. „Hier ist gut zu sehen, wo die Decken verankert wurden.“

Das Fernmeldeamt wurde 1978 bis 1981 sehr modern errichtet. Es wurde ein sogenanntes Deckenhubverfahren verwendet. Dabei wurden alle Decken zuerst am Boden gegossen, bevor sie in die Etagen gehoben wurden. „Geld hat es nicht gespart, aber dafür Zeit“, erklärt Winkler. Aber fertig ist das Objekt eigentlich nicht. Die alten Pläne zeigen, dass das Gebäude nur der erste von sechs Bauabschnitten ist. Es war zu teuer, und der Bedarf war gedeckt. 23,5 Millionen DDR-Mark habe der Bau gekostet. Das hat die Studentin vom Architekten Wolfram Stark erfahren. Als die Gruppe die letzte Treppe zum Dach hinaufgeht, erzählt sie von ihm: „Er lebt noch immer in Dresden und hat sich gefreut, dass sich noch jemand dafür interessiert.“

Das Dach bietet einen schönen Blick über die Altstadt. Die Besucher verteilen sich schnell, um Fotos zu machen. Die Aussicht vom Fernmeldeamt sehen sie das erste und letzte Mal. Die Architektin Kathleen Gburek ist beeindruckt. „Es hat etwas Mystisches, hier das Skelett dieses Gebäudes aus DDR-Zeiten zu sehen.“

Als die letzten Besucher vom Dach gehen, wischt der einsetzende Regen die weißen Staubspuren ihre Schuhe fort. Das Ende des Fernmeldeamtes naht. Nur eine Frage beschäftigt Emily Winkler: „Wird die Zeitkapsel beim Abriss geborgen?“