Merken

Ein Leben lang Schule

Schulleiter Jürgen Köber geht in den Ruhestand. Zu dem Job wurde er vor Jahren überredet. Gewollt hat er ihn anfangs nicht.

Teilen
Folgen
© André Braun

Von Cathrin Reichelt

Waldheim. Er macht Revue, meint Jürgen Köber, als er aus dem Archiv der Oberschule kommt. Seine Schüler sind in den Ferien. Für ihn sind es die letzten Tage seines Arbeitslebens. Der 64-Jährige sichtet Akten, sortiert und mistet aus. Er macht Platz für seinen Nachfolger. Wer das sein wird, weiß er nicht – nur, dass es Bewerbungen für die Stelle gegeben hat. Bis eine Entscheidung gefallen ist, wird sein Stellvertreter Frank Schreiber die sprichwörtlichen Fäden in den Händen halten.

Beim Sortieren schweifen die Gedanken zurück. Denn, abgesehen von einem kleinen beruflichen Abstecher, hat sich bei Jürgen Köber seit seinem siebten Lebensjahr alles um die Schule gedreht. Geboren in Thüringen wuchs das Scheidungskind bei den Großeltern in Waldheim auf – zweisprachig. Denn Oma und Opa waren Kriegsflüchtlinge. „Zuhause wurde Polnisch gesprochen, auf der Straße Deutsch“, so Köber. 1959 wurde er eingeschult. „Mir fiel das Lernen nicht schwer und ich habe mit einem vertretbaren Aufwand gute Ergebnisse erzielt“, meint der Schulleiter schmunzelnd.

Er verließ die Schule nach der zehnten Klasse. Das Abitur wurde ihm verwehrt. Der Vater war in den Westen gegangen, Köber selbst kirchlich erzogen worden. Der Lehre als Heizungsbauer folgten nur wenige Monate Arbeit in dem Beruf. „Es war eine wahnsinnige Bereicherung, ich habe viel gelernt, aber es war nicht die Erfüllung fürs Leben“, meint er. Nach 18 Monaten bei der Bereitschaftspolizei in Berlin setzte sich Köber auf einen Laster und fuhr für den Güterverkehr bis Berlin, ins Erzgebirge und nach Thüringen. Doch er wollte mehr.

Damit er auf der Volkshochschule das Abitur nachholen konnte, sattelte er erneut um und landete erstmals wieder an der Schule, in die er einst gegangen war – als Hausmeister. In dieser Zeit wurde ihm klar, er wollte Lehrer werden, am liebsten für Mathe und Physik. Er ergatterte einen Platz an der Humboldt-Universität in Berlin, den ein Bekannter zurückgegeben hatte. Schon in den ersten Tagen lernte er seine Frau Susanne kennen.

Weil Jürgen Köber das Haus seiner Großeltern übernommen hatte, besaß er eine Wohnung und konnte nach Waldheim zurückkehren und dort unterrichten. „An der Hanno-Günther-Oberschule (heutige Grundschule) bekam ich eine sechste Klasse in Mathe und alle achten, neunten und zehnten Klassen in Physik, weil die beiden anderen Physiklehrer ausgefallen waren. Das war eine Herausforderung“, so Köber. In seiner Zeit als Lehrer erlebte er die Teilung, die dreimalige Umbenennung und den Umzug der Schule in den Neubau an der Pestalozzistraße.

1990 stand eines Tages Hermann Mehner vor seiner Tür. Seine Parteigruppe habe getagt und beschlossen, Köber sei der Richtige für den Posten des Schulleiters der Oberschule. Der lehnte das strikt ab. „Aber der Gedanke hat mich nicht losgelassen“, sagt er. Nach einem Gespräch mit der damaligen Schulleiterin willigte er ein. „Ich denke, dass ich bei Entscheidungen oft ein glückliches Händchen hatte.“ In der Schule wurden zum Beispiel von Anfang an ausländische Schüler unterrichtet, sie hatte das erste Computerkabinett der Region und sie wurde umfassend saniert. „An der Modernisierung lag mir sehr viel“, meint Köber. Nur ein kleines Stück des Außengeländes fehlt noch.

Besondere Pläne hat der Neuruheständler nicht. Vielleicht ein paar Kurzreisen, etwas mehr Zeit für die drei Enkel und in Haus und Garten ist immer etwas zu tun.