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Ein Leben lang Bergretter

Erhard Seeliger aus Oybin hat 65 Jahre Wanderern, Kletterern und Wintersportlern im Zittauer Gebirge geholfen. Dafür gab es nun ein Ehrenabzeichen in Gold – wieder mal.

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© SZ Thomas Eichler

Von Mario Sefrin

Das Ehrenabzeichen in Gold der sächsischen Bergwacht liegt bei Erhard Seeliger mittlerweile mehrfach im heimischen Schrank. Schließlich vergibt die Bergwacht, die in Sachsen zum Deutschen Roten Kreuz gehört, solche Abzeichen gern mal zu besonderen Anlässen, wie langjähriger Mitgliedschaft, an ihre Kameraden. Das jüngste Abzeichen, das Seeliger vor wenigen Tagen erst verliehen bekommen hat, ist aber trotzdem etwas Besonderes für den 81-jährigen Oybiner. Schließlich hat die Organisation der Bergretter Erhard Seeliger für 65 Jahre Mitgliedschaft in der Bergwacht „Zittauer Gebirge“ ausgezeichnet.

Formell gesehen gehört Seeliger erst seit etwa 25 Jahren zur Bergwacht „Zittauer Gebirge“. Zuvor waren die ehrenamtlichen Helfer im Gebirge unter der Bezeichnung Bergunfalldienst und davor unter dem Namen Bergrettungsdienst zusammengefasst. Erhard Seeliger hat alle diese organisatorischen Veränderungen miterlebt – noch besser: Er ist im Zittauer Gebirge ein Bergretter der ersten Stunde. „Von den 15 Kameraden, die 1951 das Bergrettungswesen im Zittauer Gebirge aus der Taufe gehoben haben, bin nur noch ich heute dabei“, sagt Seeliger. Damals sei er wie viele andere Oybiner Kinder und Jugendliche gern in den Felsgebieten rings um den Gebirgsort unterwegs gewesen, erinnert sich Seeliger. „Natürlich hat es uns Jungs gereizt, auf die Felsen zu klettern, wo die Gipfelbücher lagen“, erzählt er. „Es gab nur das eine Gesprächsthema: Hast du dich da und da schon eingeschrieben.“ Dass ihr Hobby später einmal helfen sollte, andere Menschen im Gebirge aus gefährlichen Situationen zu retten, daran hätten sie bei ihren Touren natürlich nicht gedacht, sagt Erhard Seeliger. Obwohl sich auch zu dieser Zeit schon einige Kletterer organisiert hatten, vor allem im 1949 gegründeten Kletterklub „Kelchsteiner“.

Der Start hin zu Strukturen, auf die sich noch die heutige Bergwacht stützt, sollte eine Schauübung der Dresdner Bergsteigersamariter im Frühjahr 1950 sein. „Die Übung fand im Rahmen eines Touristentreffens am Waldtorwächter-Felsen statt und hat uns sehr beeindruckt“, erzählt Erhard Seeliger. Bei den Kletterern aus Oybin, Olbersdorf und Görlitz führte die Schauvorführung aber auch zur Frage: Wer hilft, wenn uns mal was beim Klettern passiert? „Daraufhin haben wir Erste Hilfe und Rettungstechniken am Fels gelernt und zu Pfingsten eine Prüfung als Bergsteigersamariter abgelegt. Das war die Geburtsstunde der organisierten Bergrettung im Zittauer Gebirge“, sagt Erhard Seeliger. Der erste Einsatz für die jungen Bergretter kam wenige Wochen später, als die Oybiner Sprungschanze zusammengebrochen war und 17 zum Teil Schwerstverletzte zu bergen und zu versorgen waren. Dieser Rettungseinsatz hat ebenso geklappt wie eine Aktion wenige Monate darauf, bei der die Oybiner Bergretter die Schauübung ihrer Dresdner Kollegen vom Vorjahr nun selbst durchführten – in Oybin war eine professionelle Rettungstruppe entstanden.

Die folgenden Jahre brachten den Oybiner Bergrettern, die 1953 zur Zittauer DRK-Rettungsgruppe kamen, viel Arbeit. So wurden Notunfallhilfsstellen im Gebirge eingerichtet und später durch Bergungsboxen ersetzt, auch der zunehmend beliebte Wintersport sorgte für Beschäftigung der Bergretter. Hauptaufgabe war und ist jedoch die Hilfe bei Notfällen im Gebirge. Gerade in solchen Fällen waren Erhard Seeliger und seine Frau wichtige Glieder der Rettungskette: „Da wir ein Telefon hatten, lief über unsere Wohnung viele Jahre die Koordination von Einsätzen“, sagt Erhard Seeliger. „Ich war draußen unterwegs, meine Frau, eine ausgebildete Krankenschwester, hielt die Verbindung zu den anderen Rettungskräften.“ Auch das hat wohl einen Teil dazu beigetragen, dass Erhard Seeliger heute sagen kann: „Unsere Einsätze haben eigentlich immer geklappt.“ Dankbar ist Seeliger, dass ihn sein Betrieb, der Maschinenbau Jonsdorf, all die Jahre bei seinem ehrenamtlichen Wirken unterstützt hat. Bei schätzungsweise 100 Alarmierungen, die Seeliger in seinem Bergwacht-Leben mitgemacht hat, war diese Unterstützung viel wert. Die meisten der 100 Einsätze seien aber wenig dramatisch gewesen, sagt Erhard Seeliger. „Darunter waren viele gebrochene Beine.“ Es gab aber auch Tote und Schwerverletzte.

Auch wenn er aus Altersgründen seit Jahren nicht mehr aktiv im Einsatz ist: Seine Leidenschaft fürs Klettern und fürs ehrenamtliche Helfen bei Notfällen hat Erhard Seeliger in der Familie weitergegeben. „Beide Söhne sind bei der Bergwacht dabei.“ Heute, nach 65 Jahren Einsatz als Bergretter, sagt Erhard Seeliger: „Die Tätigkeit hat viel Freizeit gekostet. Die gemeinsame Arbeit mit den anderen Kameraden und die Hilfe untereinander aber hat mir sehr viel gegeben.“ Auch deshalb gilt für ihn: einmal Bergretter, immer Bergretter.