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Ein Leben auf der Höhe

Im Umweltbildungshaus Johannishöhe in Tharandt wird seit 25 Jahren bewusst gelebt. Ein Privileg, finden die Bewohner.

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© Andreas Weihs

Von Verena Schulenburg

Tharandt. Auf dem Weg hinauf tut eine Verschnaufpause gut. Durchatmen. Das ist gewollt. Wer den schmalen Weg durch den Baumbestand hinauf zur Johannishöhe in Tharandt geht, bekommt den Kopf frei – frei von der Welt, die sich rund einhundert Höhenmeter weiter unten befindet. Oben auf der Bergkuppe weht ein anderer Wind. Hier, im Umweltbildungshaus, leben Jens Heinze, Milana Müller und weitere Naturfreunde. Seit 25 Jahren schon. Es ist ein Leben abseits des Stadttrubels, abgeschieden vom Straßenlärm des Kerbtales, ein Leben inmitten der Natur. „Ich kann mir gar nichts anderes mehr vorstellen“, sagt Milana Müller. Die gebürtige Berlinerin ist längst angekommen in Tharandt, auf der Johannishöhe. So geht es auch Jens Heinze. Der studierte Konstruktionstechniker fand in seinem Beruf nicht seine Erfüllung. Noch zu Studienzeiten an der TU Dresden engagierte sich der heute 51-Jährige in der Umweltbildung, wirkte dort – genauso wie Milana Müller, die Hydrochemie studiert hat – in einer studentischen Umweltgruppe mit und organisierte Vorlesungen. Wie viel braucht der Mensch zum Leben? Welche Auswirkungen hat das, was wir tun, auf die Umwelt? Das Ziel: ein bewusster Umgang mit Ressourcen, ein bewusstes Leben.

Recht schnell war ihnen klar: Umweltbewusstsein zu predigen, genügt nicht. „Deshalb haben wir uns nach einem geeigneten Objekt umgesehen, um es auch Leben zu können“, erzählt Milana Müller, die auch Ortsvorsteherin in Tharandt ist. Am 15. Mai 1992 hatten sie den Kaufvertrag für das alte Haus auf der Johannishöhe unterzeichnet. „Ich war schon skeptisch, ob das hier funktioniert“, erinnert sich Jens Heinze, der heute für die Bürgerliste Grün der Zeit im Tharandter Stadtrat sitzt. Das Haus war in einem baufälligen Zustand. Mit etwas Startkapital und vor allem mit viel eigener Kraft haben die Umweltaktivisten aus dem einstigen Wohnhaus und späteren Ferienlager wieder ein Domizil geschaffen, in dem es sich leben lässt. – Und das eben auf ihre ganz spezielle Weise. Das Wasser fließt zwar aus der Leitung, entspringt aber aus einer eigenen Quelle auf der Johannishöhe. Abwasser wird in einer Pflanzenkläranlage entsorgt. Fäkalien landen im Kompostklo. Geheizt wird mit dem Holzkessel und dank der Solartherme auf dem Dach. Von der Fotovoltaikanlage kommt auch der Strom. „Natürlich haben wir hier Elektrik, Telefon und Internet“, sagt Milana Müller und lächelt. Es gehe auch nicht um völlige Askese, sondern um ein bewusstes Leben. Genau das wollen die Tharandter auch ihren Gästen vermitteln.

Ob Seminare über Obstbaumschnitt oder geführten Wanderungen durch die Tharandter Vogelwelt: Auf der Johannishöhe wurden in den vergangenen 25 Jahren viele naturverbundene und nachhaltige Ideen geboren. Die Saatguttauschbörsen, die alljährlich stattfinden und an denen mittlerweile viele Orte in ganz Sachsen mitwirken, wurden im Umweltbildungshaus angeschoben. Zum Erfolg hat es auch der Tharandter Naturmarkt gebracht, auf dem aller zwei Wochen Händler aus der Region ihre Produkte verkaufen. Ein Angebot, das nicht nur viele Tharandter nutzen. Das Interesse an gesunder Ernährung und bewusstem Konsum geht über die Forststadt hinaus.

Dieses Bewusstsein würde Milana Müller gern noch vertiefen. Das Getreide und das Gemüse, das auf dem fünf Hektar großen Gelände auf der Höhe angebaut wird, wird natürlich nicht nur von den Bewohnern des Umweltbildungshauses verzehrt, sondern auch anderswo vertrieben, in Taubenheim oder Südbrandenburg zum Beispiel. Viel zu weit weg, findet die 47-Jährige. Das, was in Tharandt angebaut wird, könne noch besser lokal genutzt werden. Und noch ein Projekt haben die Umweltaktivisten auf dem Plan: Der baufällige Schuppen auf dem Grundstück soll verschwinden und durch einen Neubau ersetzt werden, in dem ausreichend Platz für die hauseigenen Seminare ist. „Irgendwann einmal“, sagt Jens Heinze.

Wichtig sei den beiden vor allem eines: „Wir haben das Glück, jeden Tag das leben zu können, wofür wir einstehen“, sagt der gebürtige Dresdner. Arbeit, Ehrenamt und Freizeit sind eine Einheit. „Wir sind mit dem Herzen dabei“, erklärt Heinze, „und hoffen natürlich, dass wir mit dem, was wir machen, weiterhin auf Interesse stoßen.“

Nächste Termine: 12. Mai, 16.30-19 Uhr, Kräuterwanderung; 19. Mai, 16.30-19 Uhr, Exkursion zum Thema Ameisen, Treff jeweils Parkplatz Pienner Straße 1 in Tharandt.