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Ein Lausitz-Auto für reiche Chinesen

Wer ist der Zulieferer Beijing WKW, der für mehr als eine Milliarde Euro eine Fabrik für Elektroautos in Sachsen plant?

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© Rolf Ullmann

Von Nora Miethke

Der chinesische Autozulieferer Bejing WKW Automotive Parts will in Rothenburg im Landkreis Görlitz Elektroautos der Premiumklasse bauen. 1,13 Milliarden Euro sollen investiert und 1 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Nachricht euphorisiert, überrascht aber auch. Wer ist dieser Autozulieferer, und warum will er sich in der strukturschwachen Lausitz ansiedeln, fragt man sich unwillkürlich.

Die Chinesen wollen das Qualitätssiegel ‚made in Germany‘ haben, glaubt Peter Nothnagel, Chef der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS). Er und seine Mitarbeiter haben die Standortsuche begleitet. Das Unternehmen plant ein „High Class“-Elektroauto – von dem noch keine Konzeptversion bekannt ist – das in Europa, aber auch in China verkauft werden soll. „Reiche Chinesen lieben „made in Germany“, sie wollen deutsche Autos fahren, keine chinesischen“, weiß Nothnagel von seinen Besuchen im Reich der Mitte.

Nur Eigenkapital

Wann die Autoproduktion starten soll und die ersten Fahrzeuge auf den Markt kommen, ist unklar. Fest steht bislang nur, dass die Bejing WKW Automotive eine hundertprozentige Tochtergesellschaft Delon Automotive GmbH mit einem Stammkapital von 100 Millionen Euro gründen will und eine Gesamtinvestition von 1,139 Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung sowie Produktion von Elektrofahrzeugen in der Stadt Rothenburg in Sachsen plant. Das geht aus einer am Dienstag nach Börsenschluss an der Shanghaier Börse veröffentlichten Pflichtmitteilung hervor. Das Unternehmen will eigene Mittel nutzen sowie privates Kapital aufbringen, kein öffentliches, heißt es dort weiter.

Eine Herausforderung. Denn bei einer Marktkapitalisierung der Beijing WKW Automotive von aktuell umgerechnet rund 1,5 Milliarden Euro ist das eine sehr große Investitionssumme, die da gestemmt werden muss. Hinter dem Investor steckt das deutsch-chinesische Gemeinschaftsunternehmen Beijing WKW Automotive Parts co. Ltd. Es wurde 2002 von dem weltweit tätigen Automobilzulieferer Walter Klein GmbH (WKW) und dem chinesischen Beteiligungsunternehmen Beijing Zhonghuan Investment Management Co. Ltd gegründet und beliefert seitdem sowohl europäische als auch chinesische Automobilhersteller – vor allem mit Funktionsbauteilen aus Aluminium, Stahl und Plastik. Audi, BMW und VW gehören zu den Kunden. Nach weiteren Unternehmensgründungen und Übernahmen zählt die Gesellschaft inzwischen zehn Firmen. Sie beschäftigt rund 10 000 Mitarbeiter.

Erst im März 2016 hatte Großaktionär Beijing Zhonghuan die Mehrheit am Stuttgarter Spezialisten für Elektrofahrzeuge EFA-S übernommen. „Wir sehen in der Elektromobilität auch in Europa ein sehr großes Potenzial und setzen dafür auf Qualität made in Germany“, sagte damals Li Jingyu der Südwest Presse. Er ist Chef des Beteiligungsunternehmens Zhonghuan und gleichzeitig General Manager der Beijing WKW Automotiv Parts.

Auf ihrer Expansionstour ist der chinesische Automobilzulieferer, der in seiner Aufstellung an die kanadisch-österrreichische Firmengruppe Magna erinnert, nun auch im Freistaat angekommen. Die Gespräche hätten vor nicht einmal drei Monaten begonnen, sagt Nothnagel. Den Chinesen wurden mehrere Standorte in Sachsen angeboten, vor allem in der direkten Umgebung von Dresden, doch sie wollen unbedingt in die Lausitz. Ausschlaggebend dürfte das dort verfügbare große und gut qualifizierte Arbeitskräftepotenzial sein, das inzwischen oft die größere Priorität bei Standortentscheidungen hat als etwa die finanzielle Unterstützung durch Fördermittel.

Chinesen wissen, was los ist

„Chinesen lesen auch Zeitung“, meint Nothnagel. Sie wüssten von den Stellenabbau-Plänen des kanadischen Zugherstellers Bombardier oder dass die Braunkohleförderung über kurz oder lang auslaufen wird, die Menschen in der Lausitz sich also umorientieren müssten. Außerdem könne man von Rothenburg aus gut auf den polnischen Arbeitsmarkt zugreifen, so der WFS-Chef. Ein weiterer Pluspunkt sei die Verkehrsinfrastruktur.

Von Sachsen lassen sich die Märkte in West- wie in Osteuropa beliefern, und in Leipzig fährt regelmäßig ein Zug mit BMW-Fahrzeugen nach China ab. Und aus Sicht des Investors ist Sachsen die „Heimat der Autoindustrie“, die mit Produktionsstandorten von Volkswagen, BMW und Porsche zu den „Vorreiterregionen der deutschen Automobilfertigung“ gehören. Damit werde sie auch dem „beabsichtigten Fertigungsstandort der High-Class Elektroautos unserer Gesellschaft Impulse geben“, heißt es in der Pflichtmitteilung.

„Ich bin nicht euphorisch, aber optimistisch, dass das was wird“, sagt Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD). Nach seinen Angaben soll die Tochtergesellschaft für Rothenburg nächste Woche gegründet werden.

Sachsen werde die Herstellung der erforderlichen Infrastruktur in Rothenburg unterstützen. Offenbar sind die Chinesen auch an der Nutzung des früheren Militärflugplatzes in Rothenburg interessiert. Dort können mittelgroße Boeings starten und landen. (mit SZ/tbe)