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Ein Kreuzweg hin zum Wir-Gefühl

Traditionell versammeln sich am Vorabend des Karfreitags die Konfirmanden des Radeberger Kirchspiels in der Kirche.

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© Bernd Goldammer

Von Bernd Goldammer

Radeberg. Die Konfirmanden des Radeberger Kirchspieles versammeln sich in jedem Jahr am Abend des Gründonnerstages in der Wachauer Kirche. Hinter ihnen liegt eine wichtige Zeit der Selbstfindung bei einer gemeinsamen Rüstzeit in Herrnhut, bei der sie von der Radeberger Pfarrerin Sylvia Wollbrück und ihrem Kollegen Johannes Schreiner begleitet wurden. Vor ihnen liegt die Konfirmation am 22. April. Ihre Gedanken zum Leben und zum Glauben haben sie in Texten und Fotos auf den Punkt gebracht. Jeder kann sie sich ansehen. Sie sind auf einer Leine gleich am Altar angeklammert. „Es ist ziemlich spannend, wie unsere Konfis ihre Glaubenswelten betrachten und zu welchen Überlegungen sie dabei kommen“, macht Pfarrer Johannes Schreiner deutlich. Und eins steht fest: Der Gründonnerstag-Abend in der Wachauer Kirche ist für die Christen im Rödertal etwas ganz Besonderes.

Weiße Fahne auf dem Kirchendach

Auch hier hat sich Glaubensgeschichte abgespielt. In den letzten Kriegstagen 1945 stieg Bauer Ernst Kunath aufs hiesige Kirchendach. Niemand wusste, dass er hier eine weithin sichtbare weiße Fahne anbrachte. Wachau war bereits von sowjetischen Panzern umstellt. Ihre Rohre waren auf das Dorf gerichtet. Keine drei Kilometer entfernt von hier, in Leppersdorf, war Stunden zuvor ein blutiges Massaker geschehen. Ernst Kunath und Wachaus Bürgermeister Bernhard Heinze opferten angesichts der Gefahr ihr eigenes Leben. Sie taten es ganz bewusst, weil sie hofften, die Zerstörung ihres Heimatortes abzuwenden. „Wir haben es für unser Dorf getan“, waren Ernst Kunaths letzte Worte an seine entsetzte Frau, als ihn die SS-Schergen wenige Stunden später von seinem Hof abführten, um ihn zu ermorden. Nichts ist vergessen. Auch deshalb ist diese Kirche ein besonderer Ort, um sich hier gemeinsam an den Weg von Jesus Christus vor 2000 Jahren zu erinnern. Auf menschlich verbindende Weise. Die Wachauer Kirchengeschichte hat auch dafür Beispiele. Denn als das Gotteshaus in die Jahre gekommen war, fanden sich Einwohner unterschiedlichster Überzeugungen zusammen, um die Kirche zu sanieren. Wachaus Kirche ist ein Ort des Aufbruchs. Und seit vielen Jahren beginnen jugendliche Christen von hier aus ihren Kreuzweg durch die Nacht, um die Gotteshäuser des Kirchspieles Radeberger Land in der Nacht zum Karfreitag zu besuchen und dort Station zu machen. Seifersdorf, Schönborn, Liegau-Augustusbad, Radeberg, Kleinwolmsdorf und Großerkmannsdorf waren die Stationen.

Insgesamt waren 50 Teilnehmer aufgebrochen. 32 von ihnen hatten Karfreitagmorgen über 23 Kilometer in den Beinen, als sie gegen 5.30 Uhr die Großerkmannsdorfer Kirche erreichten. Hier standen Kaffee und frische Brötchen aus der Bäckerei Raddatz bereit. Wer das wie Florian Guhr schon zum neunten Mal mitmachte, hat seine ganz besondere Beziehung dazu gefunden und für sich bewahrt. „Seit meiner Konfirmation bin ich dabei geblieben. Denn es ist immer wieder schön für mich, mit Gleichgesinnten zu reden, zu singen und zu beten.“ Für ihn und andere ist das ein besonderer Weg zum Wir-Gefühl.