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Ein Königreich für einen Klick

Die Bloggerin Raffaela Gohr will ihre Fans für Burgen, Schlösser und Gärten unter anderem im Landkreis Meißen begeistern. Das bringt ihr manchmal reichlich Spott ein.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Die junge Frau macht ein paar vorsichtige Schritte durch den riesigen Saal mit dem imposanten Deckengewölbe; ihre spitzen Absätze klackern dabei leise auf dem uralten Steinfußboden. Sie sieht sich um, prüft die Lichtverhältnisse, wirkt zufrieden. Klick. Ein Foto ist im Kasten, eines von unzähligen, die sie und ihr Freund an diesem Tag schießen werden.

So präsentiert sich Raffaela Gohr am Ende im Internet: Aus dem Besuch auf der Albrechtsburg ist ein Artikel mit ein paar schicken Fotos geworden, der auch im sozialen Netzwerk Instagram (siehe Foto) beworben wird.
So präsentiert sich Raffaela Gohr am Ende im Internet: Aus dem Besuch auf der Albrechtsburg ist ein Artikel mit ein paar schicken Fotos geworden, der auch im sozialen Netzwerk Instagram (siehe Foto) beworben wird. © Screenshot/SZ

Auf den meisten davon wird sie selbst zu sehen sein: Raffaela Gohr, wie sie versonnen durch die Albrechtsburg in Meißen wandelt – das älteste Schloss Deutschlands, das hat sie erst an diesem Tag bei einer Privatführung gelernt. Raffaela Gohr, wie sie im goldig schimmernden Kleid, für das es eigentlich noch ein wenig zu kühl ist, an einem steinernen Balkon lehnt, im Hintergrund der Dom. Wie sie den Wendelstein hinab schreitet: Die langen, rot-braunen Haare leuchten im schräg einfallenden Licht wie Feuer.

Die 20-Jährige weiß, wie ein Foto aussehen muss, damit es viel Aufmerksamkeit bekommt. Denn die Bilder, die an diesem Tag von der Albrechtsburg und von ihr selbst entstehen, wird die Wahl-Potsdamerin, die auf der kanarischen Insel La Palma geboren wurde, nicht für sich behalten. Sie wird sie im Internet mit der – bestenfalls ganzen – Welt teilen.

Seit Ende des vergangenen Jahres betreibt Raffaela Gohr den Internet-Blog Redux Glory, zu Deutsch so viel wie „wiederbelebter Glanz“. In Artikeln und mit vielen Bildern teilt sie dort ihre Faszination für alte Schlösser, für Burgen und Gärten, verbunden mit Mode und allem, was elegant ist und irgendwie auch ein bisschen altmodisch.

Schöne Kleider zu tragen und hohe Schuhe, das gehört für sie als Frau, und ganz besonders in einem Schloss, einfach dazu, sagt Gohr während einer Pause ihrer Führung bei einem Kaffee im Erdgeschoss. Ihr Freund David ist inzwischen mit Zwergspitz Moses dazugekommen. Beide sind meist mit dabei, wenn die Bloggerin für einen ihrer Artikel unterwegs ist. Der winzige Hund mit der rötlichen Löwenmähne wirkt wie abgestimmt auf das Kleid seiner Besitzerin. Und sogar das Einstecktuch von David passt farblich perfekt in das Ensemble.

Raffaela Gohr schwärmt von der Architektur im Schloss, den tollen Decken. Ihr Freund erzählt, wie beeindruckt sie von den Ledertapeten im Schloss Moritzburg waren. Das stand zuvor auf ihrer Liste, nach Meißen geht es dann weiter zur Burg Kriebstein.

Die Orte wirken vielleicht wie zufällig ausgewählt, das sind sie jedoch keinesfalls: Raffaela Gohr ist im Auftrag des Schlösserlands Sachsen unterwegs, das Schlösser, Burgen und Gärten im Freistaat vermarktet. Die Bilder, die sie macht, die Texte, die sie schreibt, sollen gezielt ein jüngeres Publikum in die alten Gemäuer locken. Und genau hier beginnt für manchen das Problem.

Was bitte soll eine „ausgebildete“ Influencerin sein? Diese Frage stellte der Dresdner Medienblog „Flurfunk“, nachdem die ersten Berichte über Raffaela Gohr auftauchten. Als Influencer gelten Menschen, die über das Internet, vor allem über soziale Medien wie Instagram, so viel Aufmerksamkeit erhalten, dass sie andere, zum Beispiel bei ihren Kaufentscheidungen, beeinflussen können. Firmen nutzen die Reichweite dieser Internetberühmtheiten gerne, um für ihre Produkte zu werben.

Die Biografie der 20-Jährigen, die im vierten Semester Landschaftsarchitektur in Berlin studiert, ist tatsächlich ungewöhnlich. Denn statt sich über lange Jahre und harte Arbeit zur Influencerin zu entwickeln, hat sich Gohr an einer Akademie in Berlin kurzerhand ausbilden lassen. „Die ‚Ausbildung‘ zur Influencerin ist in etwa so sinnvoll wie die Ausbildung zum Rockstar“, schreibt Peter Stawowy dazu im Flurfunk.

In Meißen spricht Gohr ganz offen darüber. Sie wollte durch die Ausbildung einfach Zeit sparen und habe so gleich zum Beispiel rechtliche Grundlagen erklärt bekommen. Schlappe 4 500 Euro hat sie dafür bezahlt. „Aber ich sage nicht gerne, dass mein Ziel ist, Influencerin zu werden“, so Gohr. „Ich möchte einfach mit Menschen und Orten zusammenarbeiten, die das beinhalten, was ich faszinierend finde.“

Die junge Frau bereits als Influencerin zu bezeichnen, wäre tatsächlich etwas weit gegriffen. Auf Instagram hat sie momentan knapp 2 000 Abonnenten – kein Vergleich mit Szenegrößen wie der früheren Topmodel-Gewinnerin Stefanie Giesinger, deren Bilder sich 3,1 Millionen Menschen ansehen. Oder lokaler: Die Dresdner Polizistin und Fitnessmodell Adrienne Koleszar schafft es auf mehr als eine halbe Million Abonnenten.

Pressesprecher Uli Kretzschmar vom Schlösserland Sachsen ärgert die Kritik an Raffaela Gohr. Schon seit fast fünf Jahren arbeite man mit Influencern zusammen, die Bloggerin sei nicht die erste und auch nicht die einzige. Kennengelernt habe eine Kollegin vom Schlösserland sie zufällig bei einem Seminar der Influencer-Akademie in Berlin. „Aber wir haben sie nicht für viel Geld engagiert, um eine junge Zielgruppe zu finden“, erklärt Kretzschmar. Das mit der Zielgruppe stimmt zwar, das mit dem Geld jedoch nicht. Gohr erhalte kein großes Honorar, nur eine Pauschale für die Reisekosten.

„Wir lernen praktisch zusammen, wie das funktionieren kann“, erklärt Raffaela Gohr in der Albrechtsburg. Mit ihren Beiträgen über Schloss Moritzburg habe sie jeweils rund 1 000 Menschen erreicht, sagt sie. Es waren die Texte mit den meisten Lesern. Wie viele davon am Ende das Schloss besuchen, kann man nicht messen.

Gohr ist es wichtig, dass ein Schloss nicht nur Kulisse ist, sagt sie. Anders als bei anderen Bloggern steht nicht sie selbst mit ihrer Mode oder dem Schmuck im Mittelpunkt. Markenkleidung ist völlig egal, der wahre Star ist das Schloss. Gohr: „Ich bin eher das Accessoire an dem Ganzen.“