Merken

Ein Hohelied auf Maibiers Parmäne

Pomologe Schwartz bestimmte in Priestewitz historische Apfel- und Birnensorten - viele sind vom Aussterben bedroht.

Teilen
Folgen
© Kristin Richter

Von Manfred Müller

Priestewitz. Meistens genügte ein kurzer Blick auf die Form und Farbe der Äpfel, die ihm gezeigt wurden, und schon konnte Klaus Schwartz die jeweilige Sorte nennen. Der Löbauer ist ein ausgewiesener Experte der Pomologie, der Obstbaukunde, und besonders haben es ihm alte sächsische Sorten angetan. Der gelbrote Apfel „Maibiers Parmäne“ zum Beispiel, den der Pomologenverein des Freistaates zur Obstsorte des Jahres 2018 gekürt hat. Er wurde um das Jahr 1860 herum in einem Privatgarten bei Moritzburg gefunden und erstmals von einem Handelsgärtner namens Maibier beschrieben und verbreitet. Der Anbau blieb bis heute auf Sachsen beschränkt, wo er als robuste und ertragreiche Sorte galt. Heute findet man die Apfelbäume mit den saftigen, süß-säuerlich schmeckenden Früchten nur noch vereinzelt auf Streuobstwiesen. Die früh reifenden Äpfel eignen sich wegen ihres ansprechenden Äußeren und wegen ihres guten Geschmacks als Tafelapfel, sollten aber bis zum Jahresende verbraucht sein.

Sachsens Pomologen haben sich zum Ziel gesetzt, vom Aussterben bedrohte regionale Obstsorten zu erhalten. Wie etwa den Safranapfel, der fast nur noch im Vogtland zu finden ist. Oder die Gelbe Sächsische Renette, die noch vereinzelt im Dresdner Raum anzutreffen sind. Unterstützt werden sie dabei von verschiedenen Gartenbaubetrieben; zu denen auch die Priestewitzer Baumschule Winkler gehört.

Ausgesprochen schlechtes Apfeljahr

Hier gab es am Sonnabend eine Apfel-Ausstellung zu bestaunen, und wer wollte, konnte Obst aus seinem Garten mitbringen und von Klaus Schwartz die Sorte bestimmen lassen. Dazu gibt es eine Vielzahl von Kriterien: neben Farbe und Form zum Beispiel die Beschaffenheit der Stiel- und der Kelchgrube. Reicht das nicht aus, wird der Apfel aufgeschnitten und das Kerngehäuse begutachtet. Die Form seines Kranzes gibt weiteren Aufschluss, ebenso die Beschaffenheit der Kerne. Bringt das den Obstkundler auch nicht weiter, bleibt als letzte Möglichkeit noch, herzhaft hineinzubeißen und die Sorte über den Geschmack zu bestimmen.

Letzteres musste Pomologe Schwartz allerdings kaum tun. Den Boikenapfel, den ihm der Priestewitzer Siegmar Sommer präsentiert, erkennt er sofort. „Den Baum hat mein Vater in den 1930er Jahren gepflanzt, und später wurde er von Gerhard Winkler aus der hiesigen Baumschule veredelt“, erklärt Sommer. In diesem Jahr habe er allerdings wegen der Frühjahrskälte kaum Früchte getragen. Dass 2017 ein ausgesprochen schlechtes Apfeljahr war, bestätigt auch Klaus Schwartz. Zwar hätten viele Bäume herrlich geblüht, aber als es Zeit zum Bestäuben wurde, spielte das Wetter nicht mit. Wegen der niedrigen Temperaturen seien die Bienen nicht ausgeflogen, und ergo habe es keinen Ertrag gegeben. Schwartz weiß, wovon er spricht. Hat er doch auf seiner heimischen Obstplantage sage und schreibe 530 Apfelsorten gezogen. Aber der Obstkundler will auch andere an seinem Wissen teilhaben lassen. Deshalb kommt er oft zu Schauveranstaltungen von Gärtnereien und Baumschulen, wo er Obstgartenbesitzer mit Ratschlägen versorgt. „Die Leute interessieren sich in letzter Zeit wieder mehr dafür, was ihre Vorfahren an Obst angebaut haben“, erzählt er. „Da stecken oftmals schöne Kindheitserinnerungen drin.“ Wer denke nicht gern daran zurück, wie er hoch oben in der Baumkrone gesessen habe? Da müsse der Apfel nicht einmal so gut schmecken. Manchmal ist es auch der Sortenname, der angenehme und lustige Assoziationen weckt. Das „Hausmütterchen“ etwa, der „Horneburger Pfannkuchen“, der „Halberstädter Jungfernapfel oder „Schöne von Nordhausen“. Hans-Heinrich Gruhl hat zwei Exemplare des Klassikers „Jonathan“ mit nach Priestewitz gebracht. Sie stammen von verschiedenen Bäumen, und der Leckwitzer will wissen, warum sie so unterschiedlich aussehen. Das liege sicher an der Unterlage, erklärt Klaus Schwartz.

„Da kommt keine Chemie dran!“

Pfropft man gleiche Sorte auf verschiedene Stämme auf, differiere das Resultat dann schon ein wenig. Gruhl hat noch sechs alte Apfelbäume in seinem Garten stehen. „Da kommt keine Chemie dran“, sagt er. „Ich hänge höchstens mal eine Insektenfalle in Geäst.“ Auch Pomologe Klaus Schwartz kann sich mit Insektiziden nicht anfreunden. „Ist die Made im Apfel gesund“, frotzelt er, „bleibe auch ich gesund.“