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Ein hölzerner Canaletto für Pirna

Der Holzbildhauer Johannes Seelig schnitzt Bernardo Bellotto lebensgroß in Linde – ein Vorgriff auf dessen 300. Geburtstag in fünf Jahren.

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© Foto: privat

Von Peter Salzmann

Pirna. Das Ölgemälde „Der Marktplatz von Pirna“ gilt als Meisterwerk der europäischen Vedutenmalerei. Wahrlich: Pirna kann stolz sein, dass Bernardo Bellotto – als Canaletto in die Annalen eingegangen – von 1752 bis 1755 in der Stadt wirkte. Das historisch wertvolle Bürgerhaus am Markt mit sehenswertem Fachwerkgiebel aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts bot ihm Obdach und ist als Canalettohaus spätestens nach der Sanierung des Gebäudes zu einem Touristenmagneten geworden.

Der passionierte Schnitzer Johannes Seelig, der sich mehrfach geschichtsträchtigen Persönlichkeiten und Themen gewidmet hat, beschäftigt sich intensiv mit Canaletto. Seine Skulptur, 22 Zentimeter hoch, zeigt den etwa 35-jährigen Bernardo Bellotto. Seelig bürgt für Authentizität, denn der Künstler hat sich selbst mit seinen Malerkollegen und Freunden auf seiner ersten Dresdner Vedute – vom Standort am rechten Elbufer oberhalb der Augustusbrücke an den Mönchswiesen des Augustinerklosters gemalt – porträtiert. Diese Figur, so Seelig, „war für meine Skulptur glaubwürdiges Vorbild“.

Seelig legt Wert auf Originalität im Detail. Auf dem Canaletto-Wams sind sogar die Knöpfe, auch die massiven Schuhe historisch wahrhaftig. Meisterhaft ist es dem Holzkünstler vom Pirnaer Sonnenstein gelungen, den Faltenwurf der derben Jacke im Stile längst vergangener Zeiten darzustellen. Auf Bellottos Knien eine verkleinerte Kopie einer Bleistiftzeichnung, die dem Malergenie offenbar als Vorlage für seine Zwei-Meter-Pirna-Vedute gedient hat. Canalettos gebundener Haarschopf reicht bis in den Nacken.

Für die Canaletto-Stadt

Seelig will eine kleine Serie gewachst oder mit Airbrush lackiert fertigen. Der Schnitzer hat die Canaletto-Figur auf einer 15 mal 15 Zentimeter großen Naturholzplatte postiert. Im Boden eingelegt ist ein 4-seitiges Leporello, das die Kopien von weltbekannten Veduten des Städtemalers zeigt: Venedig, Rom, Dresden, Wien, München, Warschau und selbstverständlich den „Marktplatz von Pirna“, in Öl zwischen 1753 und 1754 gemalt.

Der 80-jährige Johannes Seelig, geboren im erzgebirgischen Frauenstein, sieht seine Holzkunst als Vorbereitung auf Bernardo Bellottos 300. Geburtstag im Jahre 2021. „Wenn sich Pirna auch als Canaletto-Stadt präsentieren will, dann muss das künstlerisch sichtbar sein.“ Deshalb will der passionierte Holzbildhauer seine authentische Canaletto-Figur in 1,70 Meter Lebensgröße in Lindenholz fertigen. „Der Vedutenmaler soll eine Perücke und historisch verbriefte Kleidung erhalten“, blickt Seelig voraus und betont, dass er sich mit der Gewandmeisterin Ingrid Tobaschus aus Oberposta beraten werde. Schließlich müssen Wams, Taschen, Schuhe und Knöpfe dem modischen Stil jener Zeit entsprechen. Sogar mit dem Patentamt hat Johannes Seelig Kontakt aufgenommen. Er will Canalettos rechte Hand samt Pinsel und Stift Bewegung einhauchen – mithilfe von Sensoren.

Der Holzbildhauer und Schnitzer erwägt, der Stadt Pirna einen Standort für seine lebensgroße Canaletto-Figur vorzuschlagen. „Vielleicht das Foyer unseres Rathauses oder das Canalettohaus, das als Touristservicezentrum der Stadt viele Gäste empfängt.“ Der berühmte Prospektmaler, der renommierte Vertreter der realistischen Rokoko-Vedute, hätte einen Ehrenplatz in Pirna allemal verdient.