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Ein Herz für Wildpinkler

In einigen Städten werden bis zu 5 000 Euro fällig. In der Region setzt man darauf, dass auch kleine Strafen abschrecken.

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© Symbolbild/Anne Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Radebeul. Auch wenn es zunächst trivial anmutet: Das hemmungslose Herumpinkeln im öffentlichen Raum ist in der Region durchaus ein Problem. Immer wieder benehmen sich Mitbürger daneben und rufen die Behörden auf den Plan.

„Erst kürzlich kam bei uns eine Anzeige rein, weil jemand am Bahnhof auf den Fahrradständer gepinkelt hat“, berichtet Coswigs Ordnungsamtschef Olaf Lier. Dass es gerade an diesem Ort passiert ist, ist dabei kein Zufall. Denn zusammen mit dem Bereich um den Brunnen im Neubaugebiet Dresdner Straße gehört das Bahnhofsumfeld zu den Coswiger Wildpinkel-Brennpunkten. „Rund um den Bahnhof sind sowohl das Gebäude als auch die Gleisanlagen eigentlich ständig betroffen“, so Olaf Lier. Es gebe einen Kern an Leuten, der sich regelmäßig vor dem Coswiger Bahnhof treffe, um gemeinsam Alkohol zu trinken. Obwohl die nächste öffentliche Toilette am Wettinplatz nicht weit entfernt sei, würden diese Leute zumeinst darauf verzichten, sich den Weg zu machen und diese zu benutzen, sagt der Ordnungsamtschef.

Ähnlich sei es auch im Neubaugebiet, wo viele Menschen gleich um die Ecke wohnen und dort auf die Toilette gehen könnten. 15 Anzeigen sind auf diese Weise im vergangenen Jahr zustande gekommen. Nach Angaben der Stadtverwaltung waren es vor fünf Jahren allerdings noch 20 bis 30 Delikte. Somit scheint zumindest Besserung in Sicht. „Die Tendenz ist klar rückläufig. Interessanterweise auch in anderen Bereichen. Während beispielsweise vor 20 Jahren das Spucken ein großes Problem war, macht das heute kaum noch jemand. Vergleichbar ist es mit dem Rauchen, das bis vor zehn Jahren ein Thema war. Darüber spricht mittlerweile niemand mehr“, sagt Olaf Lier.

Geblieben sei lediglich das wilde Pinkeln, das sich jedoch zumindest räumlich eingedämmt hat. So zählt der Spitzgrund anders als vor zehn Jahren nicht mehr zu den Schwerpunktgebieten. Ungeachtet der abnehmenden Zahlen gilt jedoch nach wie vor: Wer erwischt wird, muss zahlen.

Allerdings scheint Coswig genauso wie die Bundeshauptstadt Berlin ein Herz für Pinkler zu haben. Während dort nach Angaben des 1. Deutschen Wildpinkler Atlas gerade einmal 20 Euro fällig werden, sind es in den hiesigen Gefilden sogar nur 15 Euro. Spitzenreiter sind hingegen Städte wie Hannover, Stuttgart, Erfurt und Halle an der Saale, wo die Notdurft im Freien bis zu 5 000 Euro kosten kann.

Trotz des preisgünstigen Ordnungsgeldes hält Lier eine drastische Erhöhung zum jetzigen Zeitpunkt für unnötig. „Wir erhöhen lieber Stück für Stück in Fünf-Euro-Schritten bei wiederholten Verstößen. Da es sich bei unseren Wildpinklern überwiegend um sozial schwache Menschen handelt, tun ihnen 15 bis 20 Euro schon weh.“

Insbesondere wenn sie sich bewusstmachten, wie viel Bier sie damit hätten kaufen können, ärgerten sie sich über ihr Verhalten, sagt der Verwaltungsmitarbeiter, der deshalb Bußgelder von 3 000 Euro und mehr für unsinnig hält. Hinzu kommt, dass manche nicht einmal die geforderten 15 Euro haben. „Wir geben diesen Menschen dann die Möglichkeit, das Geld abzuarbeiten, indem sie zum Beispiel Grünflächen saubermachen“, so Lier.

Etwas teurer ist die Angelegenheit im benachbarten Weinböhla. „Wer bei uns erwischt wird, zahlt mindestens 25 Euro“, sagt Ordnungsamtschef Hannes Zschipping. Verbreitet sei das Wildpinkeln vor allem bei Volksfesten, bei denen viele Besucher die aufgestellten Toiletten ignorierten. Im Alltag hingegen existiert das Problem ähnlich wie in Coswig besonders im Umfeld des Bahnhaltepunktes, so Zschipping.

Ob die Bahnhöfe und Unterführungen auch in Radebeul betroffen sind, kann Stadtsprecherin Ute Leder auf Anfrage nicht sagen. In der Polizeiverordnung sei das Wildpinkeln nicht enthalten, weshalb sie auch keine Zahlen und Orte nennen könne, sagt die Sprecherin. Sicher fühlen sollten sich die wilden Pinkler in der Lößnitzstadt aber trotzdem nicht. Liegt nämlich keine spezielle Regelung vor, greift stets Paragraf 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes, der im Fall des Falles eine Strafe im Bereich von fünf bis 1 000 Euro vorsieht.