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Ein Herz für Entenküken

Zum zweiten Mal hat eine Entenmutter auf der Terrasse einer Praxis gebrütet. Um den Nachwuchs kümmert sich die Ärztin selbst in ihrem Urlaub.

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© Siegfried Reimer

Von Jens Hoyer

Döbeln. Ein Familiendrama hatte sich im vergangenen Jahr auf der Terrasse der HNO-Praxis von Deike Muth und Anja Süß an der Bäckerstraße abgespielt. Eine Stockente hatte in einem Koniferenkübel gebrütet. Die Küken waren aber in einen Spalt gestürzt und mussten von der Feuerwehr gerettet werden. Die Familienzusammenführung mithilfe des Naturschutzbeauftragten Siegfried Reimer in der Mulde gestaltete sich schwierig, gelang aber schließlich.

Die brütende Stockente ist unter der Konifere kaum zu erkennen,
Die brütende Stockente ist unter der Konifere kaum zu erkennen, © Siegfried Reimer
Die Ärztin Deike Muth entlässt die Federbälle an der Mulde in die Freiheit.
Die Ärztin Deike Muth entlässt die Federbälle an der Mulde in die Freiheit. © Siegfried Reimer

Trotz der Aufregung fand die Ente den Brutplatz offenbar sehr geeignet, denn auch in diesem Frühjahr baute sie sich im Schutz der Terrassenkonifere ein Nest und brütete darin ihre Eier aus. Aber in diesem Jahr lief alles anders, berichtet Siegfried Reimer. Als Deike Muth Anfang April die ersten Eier entdeckte, hatte sie Kontakt zu dem Naturschutzexperten aufgenommen. „Als Entenrettungsteam dachten wir uns etwas aus, damit es nicht wieder zu den aufwendigen Rettungsaktionen wie im Vorjahr kommt.“ Die Ärztin habe von einem Bekannten alle möglichen Öffnungen und Löcher, die ein Abstürzen der Entenküken in den Mauerspalt ermöglichen, vorübergehend abdichten lassen. „Wöchentlich war ich bei Dr. Muth. Sie hatte das Legen der Eier verfolgt. Die Ente musste ja kurzzeitig auch einmal weg. So wussten wir, wann das Schlüpfen der Küken erfolgen könnte.“ Die Ente brüte etwa 28 Tage und alle Küken schlüpfen fast gleichzeitig. Selbst im Urlaub sei die Ärztin täglich zweimal aus Waldheim nach Döbeln gekommen, um den Brutverlauf zu verfolgen. „Wir waren ständig im Kontakt, um sofort Hilfe zu leisten. Am Wochenende war es dann soweit. Um 13 Uhr erhielt ich den Anruf, dass zwei Entenküken aus den Federn der Mutter heraus schauten. Wir vereinbarten den Treff in der Praxis. Als wir ankamen, liefen alle elf Entenküken putzmunter auf der Terrasse herum. Schnell waren die kleinen Enten eingefangen und in einen Karton gesteckt. Die aufgeregte Mutter sah zu“, so Reimer.

Die kleinen Federbälle wurden in einen Wassereimer gesetzt und zur nahen Mulde gebracht. „Wir haben immer darauf geachtet, dass die Entenmutter zu ihren Kindern Sicht- und Hörkontakt hatte. Oberhalb des Staupitzstegs hat Frau Dr. Muth ihre Pflegekinder in die Freiheit entlassen. Nur wenige Minuten später war die Mutter da und die Entenfamilie vereint. Das Interesse der Spaziergänger an der Aktion war natürlich groß“, so Reimer. Dass sich Stockenten ungewöhnliche Brutplätze aussuchen, ist nicht selten. Sie bevorzugen dabei oft hoch gelegene Standorte, die Sicherheit vor Feinden bieten. Die Küken folgen kurz nach dem Schlüpfen ihrer Mutter und stürzen sich dabei auch aus großer Höhe. Dem Entennachwuchs passiert dabei in der Regel nichts. Die Küken sind federleicht und haben so weiche Knochen, dass sie solche Stürze mühelos überstehen.