Merken

Ein guter Freund

Die deutschen Skispringer kehren bei der Vierschanzentournee nach fast vierjähriger Abstinenz aufs Podest zurück. Während Severin Freund jubelt, beendet ein Olympiasieger seine Karriere.

Teilen
Folgen

Von Eric Dobias

Als der erste deutsche Podestplatz bei der Vierschanzentournee seit knapp vier Jahren zur Gewissheit geworden war, reckte Severin Freund seine Ski in den Abendhimmel von Oberstdorf und ließ sich von den enthusiastischen 24 500 Fans feiern. Mit dem dritten Rang beim Auftaktspringen im Allgäu bescherte der Bayer den deutschen Skispringern den erhofften Traumstart in die 61. Auflage der Traditionsveranstaltung und untermauerte seine Ambitionen im Kampf um den Gesamtsieg. Dafür empfahl sich auch nachdrücklich der Norweger Anders Jacobsen mit seinem überraschenden Erfolg vor Topfavorit Gregor Schlierenzauer aus Österreich.

„Das ist unglaublich, einfach geil. Ich bin restlos zufrieden. Bei dieser Mega-Stimmung hat es mir sehr, sehr viel Spaß gemacht. Wenn es so weitergeht, wäre das okay“, sagte Freund. Als zuvor letzter DSV-Springer hatte Martin Schmitt am 4. Januar 2009 – ebenfalls als Dritter – in Innsbruck auf dem Tourneepodium gestanden.

Bundestrainer Werner Schuster war nach dem starken Auftritt der DSV-Adler mit Rang acht für Michael Neumayer, Platz zehn für Youngster Andreas Wellinger und dem gelungenen Comeback von Oldie Schmitt auf Rang 16 sehr zufrieden. „Die Jungs haben sich freigesprungen und einen tollen Wettkampf gemacht. Dass Severin auf dem Podest gelandet ist, freut mich für ihn und die gesamte Truppe“, erklärte Schuster. Die DSV-Athleten profitierten auch von der nachträglichen Disqualifikation des österreichischen Mitfavoriten Andreas Kofler, der wegen eines nicht regelkonformen Anzuges seinen achten Platz und damit alle Chancen auf einen Gesamtsieg einbüßte.

Mit seinen Sprüngen auf 138,5 und 135,5 Meter verzückte Freund die größte Kulisse in Oberstdorf seit den Glanzzeiten von Sven Hannawald und Schmitt. Am Ende lag er 17,8 Punkte hinter Jacobsen, Schlierenzauer war sogar nur 6,2 Zähler besser als die deutsche Nummer eins.

„Schlierenzauer ist für mich immer noch der große Favorit. Es freut mich, dass Severin ihm auf den Fersen ist. Jacobsen ist für mich die Sphinx“, sagte Schuster mit Blick auf den weiteren Verlauf der Tournee. „Man muss es sich entwickeln lassen“, meinte Freund gelassen.

Fest steht aber bereits nach dem Auftakt: Das deutsche Skispringen ist zurück in der Weltspitze, sogar ein Tournee-Sieg ist nicht mehr bloße Fantasie. Das ist der Verdienst von Schuster, dessen Vertrag über 2015 hinaus verlängert werden soll. Aber vor allem von Freund. Der 24-Jährige ist ein Glücksfall für das deutsche Skispringen. Freund ist nicht nur äußerlich cool, sondern hält dem großen Druck auch dann stand, wenn es darauf ankommt. Hinzu kommt: Freund ist kein Popstar, wie es Hannawald oder Schmitt waren. Sein Fanclub tritt eher bescheiden auf und entrollt an den Schanzen höchstens ein Banner mit dem Wappen seiner Heimatstadt Waldkirchen. Auf Facebook folgen ihm knapp 2 200 Interessierte, kein Vergleich zum Kollegen Thomas Morgenstern (78 500).

In die allgemeine deutsche Euphorie konnte Richard Freitag nicht einstimmen. Der Sachse landete auf einem für ihn enttäuschenden 15. Platz. „Ich war mit keinem Sprung so richtig zufrieden. Das habe ich mir im Vorfeld anders vorgestellt“, erklärte er. Oftmals seien es minimale Sachen, die zu besseren Weiten fehlen würden. „Ich muss da stabiler werden und weiter an mir arbeiten. Ich weiß, wo ich hinwill. Nur der Weg ist eben lang.“ Von der guten Stimmung in der Mannschaft will er sich nun mitreißen lassen.

Die kann Olympiasieger Stephan Hocke nur noch vor dem Fernseher genießen. Einen Tag vor dem Beginn der Tournee erklärte er überraschend seinen sofortigen Rücktritt vom Leistungssport. „Ich sehe einfach keine Chance mehr, meine Saisonziele zu verwirklichen“, sagte Hocke. „Wir respektieren die Entscheidung von Stephan und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute“, sagte Horst Hüttel, Sportlicher Leiter Skisprung/Nordische Kombination im DSV. „Wir würden uns freuen, wenn Stephan seine Erfahrungen im Verband weitergeben könnte. Die Tür steht ihm jederzeit offen.“

Der 29-jährige Hocke aus Schmiedefeld, der 2002 mit dem Team bei den Winterspielen in Salt Lake City Gold geholt hatte, nannte die aufwendige Materialschlacht sowie die schlechten Trainingsbedingungen in Thüringen als Gründe für das vorzeitige Karriere-Ende. „Es ist gegenwärtig eine Materialschlacht im Gange. Und es bestand keine Chance, einen konkurrenzfähigen Anzug zu bekommen“, sagte Hocke, der seinen Trainerschein gemacht hat und später Sport, Biologie und Sozialkunde auf Lehramt studieren möchte. (dpa/sid/mit rz)