Merken

Ein grüner Affe als Comic-Star

Mit „Otto und Alwin“ gelang dem Zeichner Jürgen Günther der große Wurf. Schloss Burgk in Freital zeigt die Originale.

Teilen
Folgen
© Thomas Morgenroth

Von Thomas Morgenroth

Freital. Mit einem „Plums!“ verschwindet ein grünes Monster mit gebleckten Zähnen und verkniffenen Augen in einem Loch im Boden. Aber keines der Kinder, die 1974 in der Zeitschrift „Frösi“ blättern, ist über den Absturz des Ungeheuers in eine Höhle der Sächsischen Schweiz erleichtert. Im Gegenteil: Sie bangen mit dem gefährlich wirkenden Wesen, dass es den Schlamassel heil übersteht. Otto nämlich, so heißt der Bursche, ist ein Guter. Ein lustiger Tollpatsch – ein Affe, der aus dem Dresdner Zoo ausgebüxt ist und wegen seines Aussehens die Leute erschreckt.

Der Comiczeichner Jürgen Günther in seinem Dresdner Atelier.
Der Comiczeichner Jürgen Günther in seinem Dresdner Atelier. © Robert Michael

Am Anfang ist er noch rotbraun, so wie es sich für einen Orang-Utan gehört. Dann aber soll Otto an den Prager Zoo verkauft werden, was ihm gar nicht passt. Auf seiner Flucht versteckt er sich im Hygienemuseum. Als ihn die Gläserne Kuh auf die Hörner nehmen will, springt Otto aus dem Fenster und mitten hinein in ein Fass mit grüner Farbe. Und die wird er, auf Wunsch seines Schöpfers, des Dresdner Zeichners Jürgen Günther, nie wieder los.

Mit dieser Figur, der Günther später den pfiffigen Pinguin Alwin als Freund an die Seite stellt, avanciert der Künstler in der DDR-Comicszene zu einem Star, der sowohl handwerklich als auch inhaltlich mit den Kollegen im Westen mithalten kann. „Otto und Alwin“ erleben in der „Frösi“ haarsträubende Abenteuer, oft mit sächsischem Lokalkolorit. Da schmeißt Otto eine Vorstellung auf der Felsenbühne Rathen oder sorgt mit Alwin bei einem Fußballspiel von Dynamo Dresden für ein heilloses Durcheinander im heimischen Stadion.

Dafür lieben sie die Leser. Allerdings nicht so sehr, dass Otto und Alwin, die auch auf Bastelbögen und in Rätseln auftauchen, das von der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ herausgegebene Magazin über die Wende retten können. Nur noch kurz lebt das Paar im Jahr 2005 wieder auf, als die „Frösi“ neu aufgelegt wird, mangels Interesse jedoch bald wieder eingeht.

Frösi, Atze, Sächsische Zeitung

Jürgen Günther (1938-2015) auf seine beiden bekanntesten Figuren zu reduzieren, wäre allerdings deutlich zu kurz gesprungen, wie die noch zu seinen Lebzeiten geplante Ausstellung mit vielen Originalzeichnungen auf Schloss Burgk in Freital beweist. Der aus Halle stammende Künstler schuf bereits in den frühen Sechzigerjahren lustige und lehrreiche Bildgeschichten. Millionen Leser der „Frösi“ und „Atze“, aber auch der „Neuen Berliner Illustrierten“ (NBI) oder der „Sächsischen Zeitung“ sowie der „Berliner Zeitung“ sind den Zeichnungen Günthers in einem halben Jahrhundert immer wieder begegnet.

In manchen Geschichten war Günther nicht zimperlich. 1962 zum Beispiel prangert er in „Der Ferienmillionär“ den Geiz an, der schließlich dazu führt, dass ein Junge mit einem schweren Tresor um den Hals auf dem Grund eines Teiches sein Ende findet. Alles gehörte allen, das war der sozialistische Zeitgeist, der sich zudem in Symbolen manifestierte. Günthers gezeichnete Kinder kommen daher gern als Pioniere in Geschichten oder Wimmelbildern vor, selbst zu Hause tragen die Sprösslinge der „glücklichen Familien“ ihr Halstuch.

Anderseits schuf Günther wunderbar poetische und vollkommen unpolitische Illustrationen zu Sagen und Märchen, die nicht selten in fremdsprachigen Zeitschriften der DDR im westlichen Ausland erschienen sind. Seine Kultcharaktere Otto und Alwin waren übrigens auch Reisekader – als Verpackung für Kaugummis der westdeutschen Marke „OK Big Babaloo“.

„Comics Made in GDR“ von Jürgen Günther, bis 30. Juli auf Schloss Burgk. Im Kabinett zeigt das Museum frühe Grafiken von Günthers Frau Herta Günther. Öffnungszeiten: Di. bis Fr. 13-16 Uhr, Sa. und So. 10-17 Uhr; an der Museumskasse gibt es Bücher mit Günthers Zeichnungen.