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Ein echter Sachse

Die Orgel in der Kirche Gröditz wurde in ihre Einzelteile zerlegt. Das ist Grund genug, ihr einige Fragen zu stellen.

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© privat

Gröditz. Zu jeder Kirche gehört auch eine Orgel. Manche schweigen allerdings, andere klingen schräg. Das Exemplar in der evangelischen Kirche Gröditz wird gerade aufwendig in Form gebracht. Pfarrer Christian Thiele hat das Instrument deshalb zum Interview gebeten.

Liebe Orgel, was machen Sie eigentlich hier in der Stahlarbeiterstadt Gröditz?

Natürlich bin ich dafür zuständig, jeden Sonntag die Kirchgemeinde bei ihrem Gesang zu unterstützen. Die unterschiedlichen Menschen mögen mich. Nicht selten darf ich auch mit anderen zusammenarbeiten wie dem Gospelchor, Bläsern oder anderen Instrumenten. Gerade in der Weihnachtszeit ist mir wieder deutlich geworden: Die Einwohner kommen ohne mich nicht aus – trotz mancher Schönheitsfehler. Regelmäßig besuchen mich neugierige Kinder aus der Schule und staunen.

Wann kamen Sie nach Gröditz?

Mit dem Bau der Kirche 1891. Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen. Die Orgelbaufirma Kircheisen aus Dresden soll mich gebaut haben. Jedenfalls steht es so in meinen Unterlagen. Manchmal wüsste ich selbst gern genauer Bescheid. Beim Ausbau ist zum Beispiel zutage gekommen, dass manche Teile laut Beschriftung mit der Bahn aus Bautzen angeliefert wurden. 1961, im Alter von 70 Jahren, habe ich durch Orgelbauer Schmeisser aus Rochlitz ein neues Aussehen und auch eine andere Klangfarbe bekommen. Seitdem habe ich eine zweite Klaviatur und ein Rückpositiv.

Können Sie das erläutern?

Etwas plump gesagt: Das sind die Orgelpfeifen im Rücken des Organisten. Manchmal zieht es da, wenn die Organisten nicht richtig lüften. Dann bin ich heiser.

Zurzeit können Sie aber gar keinen Ton von sich geben.

Das stimmt, meine Innereien befinden sich gerade im Erzgebirge in Großolbersdorf beim Orgelbauer Wünning. Ich freue mich schon riesig auf den Frühling. Dann werden nicht nur die Vögel zwitschern, sondern auch ich werde wunderbare Töne von mir geben können.“

Sind Sie dann wieder ganz die Alte?

Natürlich nicht! Abgesehen davon, dass alles wieder stimmt, frisch und sauber ist, wird auch mein Klangbild besser. Sie merken, ich bin ein Kind vieler Eltern. Aber ich bin stolz darauf, ein echter Sachse zu sein.

Können Sie noch etwas zu Ihren persönlichen Beziehungen sagen?

O, davon habe ich eine ganze Menge mehr, als Sie sich vorstellen. Ich kenne mich in der Gegend gut aus. Der Vater des Orgelsachverständigen war mal mein Organist oder auch der Kirchenmusikdirektor im Ruhestand aus Großenhain.

Haben Sie nur altersentsprechenden Umgang?

Da täuschen Sie sich. Es sind vor allem junge Leute, die auf mir spielen. Die verbringen viel Zeit mit mir. Da ist zuerst die fest angestellte Organistin Christina Müller, die schon seit 16 Jahren und gleichzeitig seit ihrem 16. Lebensjahr auf mir spielt, oder Anne Nitzsche, die sie in den letzten Monaten vertreten hat. Viel Freude macht es mit jungen Leuten, die sich in ihrer Freizeit mit mir und der Gemeinde treffen. Tobias Lange zum Beispiel, ein junger Ingenieur aus den Schmiedewerken Gröditz, oder Philip Zeiler, der in der Ausbildung ist. Einer hat mir letztens gesagt, dass er sich glatt in mich verlieben könnte!

Und die mögen alle klassische Musik?

Durchaus. Aber wenn Sie denken, das ist alles, was wir können, täuschen Sie sich. Da sind schon viele moderne und auch poppige Klänge dabei.

Noch eine letzte Frage: Können Sie auch etwas für sich behalten?

Doch, doch. Zum Beispiel die originale Ornamentik aus der Zeit vor der Innenrenovierung der Kirche. Die habe ich immer hinter meinem Gehäuse versteckt.

Die Fragen stellte Pfarrer Christian Thiele aus Gröditz.