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Ein Detailverliebter mit Blick fürs Ganze

Als kleine Handwerker verkleidet, schlüpfen Kinder in Pirna aus den Kalendertürchen. Die SZ trifft ihre Vorbilder. Heute: der Steinmetz.

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© SZ

Von Jörg Stock

Pirna. Eine große Klappe haben darf nur der, der was kann, sagt Gabriel Heimann. „Deshalb habe ich eine große Klappe.“ Aber eigentlich mag der Steinmetz- und Bildhauermeister keine Selbstbeweihräucherung. Er überlässt seinen Werken das Reden. An seinem Firmensitz hat er ein Sandsteinportal im Stil der Renaissance errichtet, mit Sitznischen, Muscheln, Eierstab, Diamanten und Zahnschnitt und mit einem Neidkopf als Krönung, einer kunstvoll gearbeiteten Fratze, die nach altem Glauben Unheil abwehrt. Was der Meister damit sagen will? Handwerksarbeit macht sich bezahlt, auch wenn sie womöglich den Wert eines Mittelklassewagens hat. Das Auto schiebt man nach fünfzehn Jahren auf den Schrott, sagt Meister Heimann. „So ein Portal ist nach dreihundert Jahren immer noch da.“

Gabriel Heimann in Aktion in seinem Schauer am Pirnaer Steinplatz. Hinterm ersten Türchen des Pirnaer Adventskalenders verbirgt sich eine kleine Steinmetzin. Mit dem Weihnachtsmann steht sie am Donnerstag 17Uhr auf der Marktbühne.
Gabriel Heimann in Aktion in seinem Schauer am Pirnaer Steinplatz. Hinterm ersten Türchen des Pirnaer Adventskalenders verbirgt sich eine kleine Steinmetzin. Mit dem Weihnachtsmann steht sie am Donnerstag 17Uhr auf der Marktbühne. © Norbert Millauer
Charlotte-Elaine (8) aus Pirna stellt als erstes Adventskalenderkind den alten Beruf des Steinmetzes dar.
Charlotte-Elaine (8) aus Pirna stellt als erstes Adventskalenderkind den alten Beruf des Steinmetzes dar. © Marko Förster

Gabriel Heimanns Schauer steht in der Pirnaer Schifftorvorstadt am Steinplatz. Kein Ort könnte besser passen. Schon in alter Zeit bevölkerten seine Zunftkollegen das Gelände und bearbeiteten die von den Elbschiffern hier angelandeten Sandsteine. Auch Heimann nutzt heimisches Material. Überhaupt ist er ein Freund des direkten Weges. Einfach einen Stein aus der Erde nehmen und daraus etwas machen, ohne tausend Zwischenschritte, das mochte er schon immer an seinem Beruf.

Eigentlich wollte der junge Heimann, ein Spross aus katholischem Haus, Tierarzt werden. Oder Architekt. Vor dem Studium aber sollte er drei Jahre zur Armee gehen. Das lehnte er ab. Irgendwann sah er auf der Straße zufällig einen Steinmetz bei der Arbeit und fand diesen Beruf „urig“. So wurde er Lehrling beim VEB Elbenaturstein.

Das Steinmetzhandwerk in dem DDR-Großbetrieb war meistenteils nichts für Romantiker. Akkordarbeit war angesagt, mit festen Zeitvorgaben für die verschiedenen Gestaltungselemente. Trotzdem eine gute Schule, findet Gabriel Heimann. Damals hat er gelernt, die Arbeit qualitätvoll und zugleich zügig auszuführen, eine Fähigkeit, die ihm heute im Wettbewerb um die Aufträge gut zupass kommt.

Steinmetze arbeiten nicht mehr nur mit Eisen und Knüppel. Digitale Vermessung und computergestützte Konstruktion gehören zum Berufsalltag. „Kein gutes Arbeiten ohne gute Planung“, sagt Gabriel Heimann. Doch nützt das beste Computerprogramm nichts, wenn man ein Problem mit Geometrie hat oder mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen. Man muss die Dinge durchdringen, sagt Heimann. Wenn man gedanklich nicht mitkommt, geht das vor den Baum. „Und versaut ist versaut.“

Der Job mag leichter geworden sein, aber immer noch ist er alles andere als gemütlich. Im Großformat arbeitet man stets draußen. Wetterfestigkeit ist also Pflicht. Und auch sonst muss ein Interessent einiges mitbringen. Feingefühl fürs Filigrane, aber auch Kraft fürs Grobe. Es ist eine ganz spezielle Mischung, sagt Meister Heimann. „Ich bin froh, dass ich diesen Beruf gefunden habe“, sagt er. „Oder der Beruf mich.“