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Denkmal für den Denkmalschützer

Ein neues Buch erzählt über die Arbeit von Hans Nadler. Aber es gibt auch Einblicke ins Leben eines Rastlosen.

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© AP

Von Jana Mundus

Einen großen Moment verpasste Hans Nadler. Als am 30. Oktober 2005 der Wiederaufbau der Frauenkirche mit einem Weihegottesdienst gefeiert wurde, fehlte der für dieses Projekt so wichtige Mann. Nur wenige Tage zuvor, am 8. Oktober, war der damals 95-Jährige gestorben.

Zeitlebens glaubte Nadler an den Wiederaufbau.
Zeitlebens glaubte Nadler an den Wiederaufbau. © Thomas Lehmann
Hans Nadler 1910 – 2005: Ein Leben in fünf Staatsordnungen. Ein Leben für die Sächsische Kulturlandschaft; ISBN: 978-3-938390-32-0, Preis: 34,50 Euro
Hans Nadler 1910 – 2005: Ein Leben in fünf Staatsordnungen. Ein Leben für die Sächsische Kulturlandschaft; ISBN: 978-3-938390-32-0, Preis: 34,50 Euro © PR

Ganze 60 Jahre zuvor, im Sommer 1945, lief er als 35-Jähriger und Mitarbeiter der Denkmalpflege durch das zerstörte Dresden und protokollierte die Schäden. Der gewaltige Trümmerberg des Gotteshauses schockte ihn nicht. Er glaubte fest an den Wiederaufbau.

Es war nicht die einzige Situation, in dem die Leidenschaft des Vollblut-Denkmalpflegers wahrlich Berge versetzen konnte. Ein neues Buch erinnert nun an ihn und seine Arbeit. Verlegt hat es der Verein Ländliche Bauwerte in Sachsen, über den es auch bestellt werden kann. Das Buch hat vor allem eine große Stärke: Es lebt von den Erzählungen der Menschen, die ihn kannten.

Allen voran seine Tochter Gisela Rudat. Chronologisch zeichnet sie seine Lebensgeschichte nach, verwebt sie mit so mancher kleinen Anekdote aus dem Familienalbum. Am 1. Juli 1910 kam Hans Nadler in Gröden bei Elsterwerda als Zweiter der eineiigen Zwillingsbrüder zur Welt. Sein Bruder Fritz war der Nachdenkliche, Hans der Unbekümmerte. Ihr Vater hieß ebenfalls Hans und war Maler. Er war Gründungsmitglied der Künstlervereinigung Dresden. Für seine Verdienste verlieh ihm der sächsische König 1918 den Professorentitel.

Hans Nadler junior erbte die künstlerische Ader. Allerdings studierte er von 1931 bis 1936 Architektur an der Technischen Hochschule Dresden. Im Rahmen eines Forschungsauftrags des Deutschen Archäologischen Instituts nahm ihn sein Professor Heinrich Sulze mit zu Ausgrabungen nach Pompeji in die Stabianer Thermen. Weil er so schmal war, bekam er die Aufgabe, sich die historische Fußbodenheizung von unten näher anzuschauen. Dafür verschwand er in einer Öffnung im Boden. Professor Sulze wartete dort.

Einmal war Nadler so weit entfernt, dass er das Rufen seines Mentors nicht mehr hörte. Der bekam Angst und holte Hilfe. Währenddessen kletterte sein Student nach oben und ging sich erst einmal am Brunnen waschen. Als er zum Einstieg zurückkam, standen dort aufgeregte Grabungshelfer und waren überrascht, als sie ihn plötzlich hinter sich sahen. Es ist nur eine der vielen Episoden, die es nun im Buch zu lesen gibt.

Ohne August den Starken wäre Elbflorenz nie gebaut worden, ohne Nadler wäre es nie wiederaufgebaut worden. Dieser Satz ist oft über den Dresdner gesagt oder geschrieben worden. Er kommt nicht von ungefähr. Im Jahr 1946 verabschieden die Dresdner Stadtverordneten den Wiederaufbauplan. Die wichtigsten Baudenkmäler sollen erhalten bleiben. Drei Jahre später wird Hans Nadler zum Landesdenkmalpfleger berufen. Doch schon 1950 kommen mit dem Aufbaugesetz der DDR harte Zeiten auf ihn zu. Dresden soll zur sozialistischen Vorzeigegroßstadt werden. Für Historisches ist da kein Platz.

Nadler stemmt sich dagegen. Auf der Abrisswunschliste der DDR-Führung stehen Sempergalerie oder der Westflügel des Schlosses, der Hausmannsturm und die Ruine der Semperoper. Doch die Denkmalschützer verhindern das. Aber nicht immer bleibt Nadler der Sieger. Der Abriss der Sophienkirche etwa schmerzt ihn sehr.

1962 werden die Trümmer der Ruine aus ideologischen Gründen abgerissen. Doch Nadler vergisst die Geschichte nicht. Als er 1997 den Erich-Kästner-Preis des Presseclubs Dresden bekommt, spendet er das Preisgeld von 20 000 Euro zum einen Teil für die Restaurierung des ehemaligen Hauptaltars der Sophienkirche, den Nosseni-Altar, der seit 2002 in der Loschwitzer Kirche steht. Den anderen Teil für die Errichtung der Busmannkapelle.

Nicht nur in Dresden hinterlässt Hans Nadler Spuren. Er setzt sich für die Erschließung und Revitalisierung des Muskauer Parks ein. Er hilft beim Aufbau der Restaurierungswerkstatt im Meißener Dom. Und er fertigt die Pläne für die Gestaltung der Schlossinsel in Rodewisch an. Viele Preise und Ehrungen erhält er für sein Engagement. Im Buch wird deutlich: Gefreut hat er sich darüber, gebraucht hätte er es nicht.

In der Frauenkirche ist die Erinnerung an ihn heute lebendig. Die Stiftung Frauenkirche ehrte ihn 2010 mit einem Bronze-Tondo im Treppenaufgang des nordwestlichen Turms. Die Umschrift: „Der die Zuversicht nie verlor – Hans Nadler“.

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