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Ein Brückenbau entzweit das Dorf

Die Baustelle in Koselitz sorgt für weite Umwege – doch nicht jeder nimmt sie. Ein Anlieger bekommt das besonders zu spüren.

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© Sebastian Schultz

Von Eric Weser

Röderaue. Im Vorgarten von Peter Rühle geht es in diesen Tagen und Wochen drunter und drüber. Der Koselitzer hat das bewusst in Kauf genommen, schließlich hat er den Bauarbeitern Zugang zu seinem Grundstück gewährt, die mit dem Neubau der Röderbrücke gleich nebenan beschäftigt sind.

Was für Peter Rühle dagegen überraschend kommt: Nicht nur die Männer vom Bau nehmen den Weg über sein Privatgrundstück, sondern auch Dorfbewohner und Gäste von außerhalb. Sie suchen den kürzesten Weg über die Röder. Und der führt nun mal über das Grundstück von Peter Rühle und die von dort erreichbare Behelfsbrücke. Seit Baubeginn Ende März hat der Koselitzer an dieser Stelle einiges erlebt. Eine ältere Frau zum Beispiel, die partout nicht einsehen wollte, dass sie dort nicht durch darf. Auch eine junge Frau zeigte sich renitent. „Als ich ihr sagte, dass das nicht geht, hat sie sofort losgetobt.“ Eine Gruppe junger Männer habe auch schon in seinem Vorgarten gestanden. Sie hätten nur mal schnell rüber gewollt, erinnert sich Peter Rühle an ihre Erklärungsversuche. Ein Mitarbeiter eines Paketdienstes habe über die lange Umleitung gestöhnt.

Unbefugten verwehrt Peter Rühle den Durchgang durch sein Grundstück konsequent. „Wenn ich aus Nächstenliebe den einen durchlasse, dann nimmt das kein Ende“, sagt er. „Das spricht sich ja dann rum.“

Peter Rühle wundert die mangelnde Einsicht bei vielen, die des Weges kommen. Die Umleitungen seien doch gut ausgeschildert und gar nicht so weitläufig, meint Rühle, der selbst zweimal die Woche mit dem Auto über Wülknitz nach Gröditz fährt, statt wie sonst über Pulsen.

Und außerdem sei die Baustelle voller Gefahren – von spitzen Bewehrungseisen bis hin zu Betonklötzen als Stolperfallen. Umso mehr erstaunt den Koselitzer, dass manche mit geschultertem Fahrrad oder Eltern sogar mit Kindern durch die Baustele wollen. „Viele sind auf dem Weg zum Eiskaffee“, weiß Peter Rühle.

Das liegt auf der anderen Röder-Seite und wird von Familie Tege betrieben. Inhaber Mario Tege erwirtschaftet sonst 30 Prozent seines Umsatzes im Straßenverkauf, dieses Jahr sei es bedeutend weniger – auch wenn der Baubetrieb einen extra Hinweis auf das Lokal aufgehängt habe.

Technische Probleme beim Bau

Trotz der Widrigkeiten ist der Eiskaffee-Betreiber und Anwohner froh über den Brückenbau. Schließlich helfe der, das Koselitzer Hochwasser-Problem zu lindern.

Denn die neue Brücke wird – so sehen es die Planungen vor – im Flutfall viel mehr Wasser durchlassen als die alte und damit nicht mehr jene Stauwirkung entfalten, die zum Beispiel 2010 zur verheerenden Überflutung des Ortes beigetragen hatte.

Auch Peter Rühle, dessen Vorgarten von gebetenen wie ungebetenen Gästen frequentiert wird, begrüßt den Brückenbau ausdrücklich. Mit anderen Koselitzern hatte er nach der Röderflut eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen, die immer wieder auf den Bau der neuen Brücke pochte. Ohne diesen Druck wäre der Brückenneubau erst Jahre später in Angriff genommen worden, ist man sich in Kreisen der Bürgerinitiative sicher.

In Koselitz, das durch den Bau ein halbes Jahr quasi entzweit ist, hofft man, dass die Bauarbeiten wie angekündigt Ende September beendet werden. Ob das klappt, ist momentan aber fraglich. Denn es gibt technische Schwierigkeiten beim Bau mit dem Wasser. Zu Einzelheiten konnte das Landratsamt am Donnerstag noch keine Aussage treffen, da es erst am Nachmittag vor Ort eine Beratung zwischen Fachleuten von Baubetrieb, Landkreis und Landestalsperrenverwaltung gab.

Die Gemeinde Röderaue, zu der Koselitz gehört, weist unterdessen auf ihrer Internetseite darauf hin, dass das Betreten der Baustelle verboten ist. „Jeder Bürger, Fußgänger oder Radfahrer, der das dennoch versucht, begibt sich in Lebensgefahr.“ Peter Rühle hofft, dass die Warnung für mehr Ruhe in seinem Vorgarten sorgt.