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Ein Bruder hinter Gittern reicht

Ein mutmaßlicher Drogendealer aus Königsbrück ist auf dem Pfad der Tugend zurück und bleibt daher vom Gefängnis verschont.

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© René Plaul

Von Helmut Schippel

Königsbrück. Der Drogenmissbrauch und insbesondere die illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln und ihr Weiterverkauf durch die Dealer ist eines der gravierendsten gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart. Jetzt hatte sich Rico B. aus Königsbrück vor dem Schöffengericht in Kamenz zu verantworten. Welche Gefahren aus dem Missbrauch von Drogen im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz oder in der Familie resultieren können, war dem 25-jährigen Königsbrücker, angeklagt wegen unerlaubter Einfuhr von Rauschmitteln in nicht geringer Menge, zweifellos bekannt. Die Anklageschrift der Staatsanwältin zählte acht Vergehen auf – darunter auch den Besitz einer Waffe, sprich eines Teleskopschlagstockes. Der Angeklagte habe 2013 Marihuana und Crystal in Tschechien erworben. Der Stoff habe seinem Eigenverbrauch gedient und darüber hinaus der Finanzierung seines Alltags, denn damals bezog er Arbeitslosengeld. Eine Hausdurchsuchung hatte eine Feinwaage, Dosierlöffel, einen Crasher, mehrere Rauschgiftportionen und zuzuordnendes Bargeld zutage gefördert.

Der Anwalt des Angeklagten bestätigte die vorgefundenen Utensilien, die abgepackten Portionen seien aber allein für den eigenen Konsum bestimmt gewesen. Die illegale Einfuhr der Drogen wurde ebenso bestritten wie ihre Veräußerung in größerer Menge. Beim Angeklagten, so der Eindruck, handelte es sich offenbar um einen Dealer von Kleinformat. Richter Kranke baute ihm eine goldene Brücke. Er ermunterte ihn zu einem umfassenden, nicht nur einem Teilgeständnis. Das könne zur Einordnung als minderschwerer Fall führen und damit zwar zu einer Haftstrafe, jedoch aussetzbar zur Bewährung. Im Übrigen befände sich Rico B. soeben vor einer Weichenstellung seines weiteren Lebens. Die eine Richtung erlaube das Verlassen des Gerichtssaales als freier, wenn auch vorbestrafter Mann. Die andere Richtung könne im Gefolge der anschließenden Zeugenvernehmungen zu zusätzlich belastenden Aussagen führen. Darauf ließ es der Angeklagte ankommen, und das sollte auch die überraschende Wende in der Verhandlung bringen.

Am Wochenende zum Drogenkauf nach Tschechien

So wurden unter anderem der Bruder, Mike des Königsbrückers und dessen einstige Freundin in den Zeugenstand gerufen. Als jene 2013 noch ein Paar waren, fuhren sie an Wochenenden nach Tschechien zum Drogenerwerb. Man kaufte ein Gramm Crystal für 20 Euro und versetzte es für 60 Euro. Es war die Zeit, als der Angeklagte arbeitslos war und selbst zum Rauschgift griff. Vom Bruder versorgt, erwies er diesem wohl Gefälligkeitsdienste und brachte dessen Kunden den Stoff. Das erklärt auch die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Asservate. Allerdings veräußerte er selbst auch Drogen in geringer Menge, schließlich wollte der eigene Konsum finanziert sein. Der Bruder und die Freundin jedenfalls wurden damals in Sebnitz auf frischer Tat gestellt und in gesonderten Verfahren abgeurteilt. Wegen einer Haftstrafe wurde Bruder Mike mit Handfesseln geschmückt vorgeführt. Er war offensichtlich der Drahtzieher des Trios.

Für die Sozialprognose von Rico B. war sein Lebensweg von Interesse. Mit Erfolg absolvierte er die Oberschule in Königsbrück. Industriemechaniker wird man auch nicht im Vorübergehen. Er und seine Verlobte haben einen Sohn und in wenigen Tagen gesellt sich eine Schwester dazu; Arbeitsplatzbewerbungen liegen vor. Beim Bundeszentralregister sind zwei Einträge von geringer Bedeutung registriert.

Die Staatsanwältin hielt Rico B. zugute, dass er geständig war, kein Rauschgift illegal einführte, keine beträchtlichen Mengen an Rauschgift veräußerte, dass die Verfehlungen längere Zeit zurückliegen und dass er der Droge nachweislich abgeschworen hat. Anderthalb Jahre Haft mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren wären das angebrachte Strafmaß. Das sah der Verteidiger ebenso. Das Schöffengericht stellte sich hinter den Strafantrag der Anklagevertretung. Die Kosten des Verfahrens tragen der Verurteilte und die Staatskasse anteilig.