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Ein Bett reicht als Venusberg

Sonnabend hat Wagners „Tannhäuser“ Premiere im Görlitzer Theater. Der Franzose de Carpentries hat das Geschehen in die Gegenwart geholt.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Der Venusberg ist auf der Görlitzer Bühne nur ein Bett. Es ist noch nicht mal riesig. Doch wie sich Tannhäuser bei Richard Wagner vor 170 Jahren im Innern des Venusberges bis zum Überdruss vergnügt, so darf es der Opernheld mit Venus auf der weißen Liegestatt ab Sonnabendabend in Görlitz treiben. Da hat Wagners Oper „Tannhäuser“ Premiere. Für Görlitz ist das mehr als eine der vier Premieren in einer Spielzeit. Wagner steht selten auf dem Programm, zuletzt 2002 mit „Der fliegende Holländer“. Für das Görlitzer Haus sind die großen Massenszenen und Kulissenschiebereien des Bayreuther Komponisten eigentlich eine Nummer zu groß. Meistersinger in Görlitz, da schmunzelt Francois de Carpentries doch etwas. Der Franzose hat bei verschiedenen Wagner-Opern assistiert, doch der „Tannhäuser“ in Görlitz ist seine erste Regiearbeit für Wagner. Und dann entstaubt er die Oper gleich von allem romantischen Schnick-Schnack. Kein Venusberg, kein wollüstiges Bacchanal, kein Sängerwettstreit im Mittelalter, keine Wartburg, obwohl doch Wagner den Untertitel der Oper „... und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ nannte.

De Carpentries lacht auf die Frage, ob das dann noch die bekannte Wagner-Oper sei. „Wir haben uns bewusst für die Dresdner Fassung der Oper entschieden, die Wagner später in Paris nochmal für den französischen Geschmack verändert hat“, sagt de Carpentries. Und auch da spielte die Größe des Theaters eine Rolle, alles andere wäre eine „allzu große Show für eine kleine Schachtel“ gewesen. „Wir zeigen einen intimen Wagner“, sagt der französische Regisseur, „ in einem intim wirkenden Theater“. Und ursprünglicher ist es allemal. An kaum einem anderen Werk hat Wagner so oft herumgeschrieben wie am Tannhäuser. Denn genau genommen gibt es auch von der Dresdner Fassung mehrere Varianten. Weil gleich die ersten Aufführungen noch nicht der große Triumph waren, schrieb und schrieb Wagner an der Partitur. Später gab es auch eine Pariser und eine Wiener Fassung, für München wurde gar die Ouvertüre auf 26 Takte gekürzt. Dabei gilt sie mit ihren 14 Minuten und der motivreichen Melodie als eines seiner besten Orchesterwerke schlechthin.

Zusammen mit seiner Ausstatterin Karine van Hercke kam es Francois de Carpentries darauf an, „Tannhäuser möglichst menschlich und lebendig zu inszenieren“, den tragischen Held aus dem Mittelalter in eine fortdauernde Gegenwart zu stellen. Dafür hat ihm das Theater mit Franco Farina einen Tenor an die Seite gestellt, der vor sechs Jahren erstmals den Tannhäuser an der Staatsoper Hamburg gegeben hat, der große Rollen an nicht minder wichtigen Opernbühnen in New York, Paris, Wien oder München gab. De Carpentries kennt Farina bereits seit 30 Jahren, damals traf er den Gesangsstar in Brüssel, als er selbst noch Regie-Assistent war. Mittlerweile hat der Belgier mit solchen Regiegrößen wie Bob Wilson, Luc Bondy, Patrice Chereau und Peter Sellars zusammengearbeitet, inszenierte in London, Madrid und Brüssel. Eigentlich ist er ein Mozart-Spezialist, mag die Italiener. So inszenierte er erstmals vor einem Jahr in Görlitz auch Puccinis Oper „Manon Lescaut“ . Auch da versetzte er das Geschehen in die nahe Vergangenheit mit Hippie-Bus und Altreifen-Lager. Die SZ-Kritik vermisste damals Gefühle bei den Protagonisten. Damals wie heute geht es um große Liebe, tiefe Enttäuschung und Hoffnung auf Vergebung, ja Erlösung. Für manche Hauptdarsteller wäre es auch eine Erlösung gewesen, die Grippewelle wäre schon vorüber. So wird Theaterliebling Ji-Su Park bei der Premiere genauso fehlen wie Hans-Peter Struppe, dessen Ersatz pünktlich zur Generalprobe am Donnerstag erschien. Da war de Carpentries ungemein gelöst. Die Proben und die Zusammenarbeit mit dem kleinen Team hätten auch beim zweiten Mal Spaß gemacht. „Die Kollegen sind großartig, hier spürt man noch die Leidenschaft, das Herz für die Arbeit trotz Geldsorgen des Hauses.“ Nun muss sich diese Zuversicht nur in der Spielfreude am Sonnabend zeigen, auf dass das Publikum gar nicht merkt, dass die Oper mit drei Stunden und zwei Pausen zum längsten gehört, was in Görlitz in den vergangenen Jahren zu sehen war.

Premiere „Tannhäuser“, Görlitzer Theater, Sonnabend, 17. März, 18.30 Uhr.