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Ein Bäcker kommt im Stadtteil an

Jan Willner versucht sein Glück an einem Ort, an dem ein Kollege scheiterte. Von den Nachbarn wird das belohnt.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Diese Tür steht kaum still. Auch am Vormittag. Auch mitten in der Woche. Auch in den Ferien. Unentwegt geht die Glocke, schwingt die Glastür, kommen Kunden und bestellen Brötchen und Brot, Kuchen und Teilchen. Ein Umstand, der Jan Willner stolz und glücklich macht. Vor zwei Jahren hat er den kleinen Bäckerladen am Saarplatz in Coschütz übernommen. Dort hatte einer seiner Kollegen nach Jahren aufgeben müssen. Zu groß war die Konkurrenz durch die Selbstbedienungstheken in den Supermärkten an der Karlsruher Straße. Und plötzlich fehlte in dem Viertel ein Bäcker.

Das Schicksal seines Vorgängers hat Jan Willner nicht abgehalten, selbst den Start mit dem eigenen Geschäft zu wagen. Schon immer hat der 41-Jährige den Wunsch gehabt, sich selbstständig zu machen und eine Bäckerei zu führen. Die Lehre machte er in einer kleinen Dorfbäckerei. Das Du-und-Du mit der Kundschaft, die Herzlichkeit einer kleinen Gemeinschaft, die Treue der Stammkunden, die Gespräche an der Ladentheke – all diese Dinge hatte er in seiner Ausbildung schätzen gelernt. Vor 17 Jahren zog es ihn nach Dresden. Dort arbeitete der Bäcker in unterschiedlichen Betrieben. 2013 machte er den Meister. „Klar, dass dieser Schritt ein Schritt zum eigenen Betrieb ist“, sagt er.

Den hat er nun in Coschütz gefunden. Dafür steht er jeden Tag um Mitternacht auf. Von der Wohnung in Dölzschen, wo Jan Willner mit seiner Frau und den beiden Söhnen lebt, geht es zum Saarplatz. Bis 8 Uhr steht er in der Backstube. 30 bis 40 Brote und 500 Brötchen produziert er an einem normalen Tag. Dazu Kuchen und süße Leckereien. Sein Feierabend samt Mittagschlaf beginnt, wenn manch einer seiner Kunden die Brötchen für das Frühstück kauft. Ein schwerer Alltag, den kaum einer haben wollen würde. Doch Jan Willner stört der ganz andere Tages- und Nachtablauf nicht. Er liebt seinen Beruf.

Und die Coschützer danken es ihm. Der kleine Bäckerladen wird gut angenommen. Zwar ist der nicht der Einzige im Viertel, in dem es frisches Brot und Brötchen gibt. Stammkunden hat Jan Willner aber schon jede Menge. Der Bäcker überzeugt mit seinem Handwerk. Gebacken wird ohne Konservierungsstoffe, mit richtiger Butter und natürlich aus einem Natursauerteig. Jeden Monat kreiert der Bäcker ein neues Brot und greift dafür auch zu ungewöhnlichen Zutaten: Rote Bete, Maisdinkel, saure Gurken, Tomaten und Aroniabeeren. Dieses Angebot hat mittlerweile Fans. „Viele können es kaum erwarten, was es im nächsten Monat für eine Spezialität gibt“, sagt er.

Dabei achtet er auch auf die Wünsche seiner Kunden. Viele wollen auf Weizen verzichten. Andere ernähren sich vegan. Gesund soll es sein, aber auch schmecken. Und sie wollen wissen, was drin ist im Brot. Deshalb bietet Jan Willner auch veganen Stollen an und verschickt das Lieblingsgebäck der Dresdner im Advent auch via Internethandel. „Das gehört mittlerweile dazu“, sagt der Bäcker.

Keine Zeit zum Ausruhen

Er weiß, dass es Bäcker wie er nicht einfach haben. Stillstehen und ausruhen kann er nicht. Die Ansprüche und Wünsche der Kunden sind Ansporn, damit er mit seinem Betrieb überleben kann. Denn oft klappt das nicht. Gerade erst hat sich nur wenige Hundert Kilometer Luftlinie entfernt vom Saarplatz ein Plauener Traditionsbäcker für immer von seinen Kunden verabschiedet, nach über 100 Jahren Betrieb. Das Geschäft hat sich nicht mehr gelohnt und geeignete Mitarbeiter sind rar. Zum Leid der Plauener, die das liebgewonnene Angebot vermissen werden.

Unterstützung bekommt Jan Willner von seiner Frau und der Schwiegermutter. Täglich öffnet er seinen Laden. Ruhetage gibt es nicht. Die Kunden sollen an keinem Tag in der Woche auf die Brötchen von ihrem Bäcker verzichten. Dafür gibt es eine Mittagspause. Zwischen 12 und 14 Uhr haben viele der Geschäfte im Wohngebiet rund um den Saarplatz geschlossen. Diese Zeit nutzt auch Jan Willner zum Ausruhen. Bereut hat er den Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Der Kundenstamm wächst stetig, sein Konzept funktioniert. Schon klingelt die Glocke an der Tür.