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Eigentümer wollen für Straßen nicht mehr zahlen

Über die jüngste Änderung der Stadt Görlitz bei den Ausbaubeiträgen schütteln Grundstücksbesitzer den Kopf.

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© André Schulze

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Ungerecht. Das ist das Wort was in diesen Tagen häufig zu hören ist, wenn die Sprache auf die neue Änderung bei den Straßenausbaubeiträgen kommt. Der Stadtrat hatte am 1. Juni beschlossen, dass jeder Grundstücksbesitzer nur einmal belangt werden kann, wenn die Straße vor seinem Haus grundhaft saniert wird.

Der Vorschlag kam von der Großen Koalition aus CDU und den Bürgern für Görlitz. Und diese fanden es eben alles andere als ungerecht, sondern nur gerecht, wenn jeder Eigentümer zahlen muss. Und zwar genau einmal. Die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen würde aber bedeuten, dass ein Teil der Görlitzer schon gezahlt hat – der andere das nicht muss. Das wäre das Ungerechte an der Sache.

Aber die Grundstückseigentümer sehen das völlig anders. Ungerecht finden sie, wie die Stadt grundsätzlich mit ihren Geldern umgeht, die etwa aus der Grundsteuer fließen. Thomas Sander, der für ein Haus in der Jakobstraße hohe Straßenbaubeiträge zahlen musste, sieht die Sache so: „Das ganze Geld, was von den Eigentümern an die Stadt fließt, sollte den Eigentümern wieder zugutekommen, auch in der Unterhaltung der Straßen. In Görlitz herrscht da aber ein absolutes Missverhältnis.“ Eigentlich sollte so eine Immobilie auf gesunden Füßen stehen und wirtschaftlich rentabel sein, findet er. Das sei aber oft nicht der Fall. Stattdessen gebe die Stadt das von den Bürgern eingenommene Geld für anderes aus. „Diese Quersubventionierung halte ich für unverantwortlich.“

Für die Änderung bei den Straßenausbaubeiträgen hat Thomas Sander ein deutliches Wort: lächerlich. Wenn es heißt, jeder müsse nur einmal zahlen – welchen Zeitraum wolle die Stadt denn da in Betracht ziehen? „Doch wohl nur die letzten 20, 30 Jahre. Aber die Straßen sind irgendwann mal gebaut worden, sicher auch mit den Mitteln unserer Vorfahren.“ Das denkt auch Arnold Fetzer vom Verein Haus und Grund. Für ihn ist das jetzt Beschlossene „nicht nachvollziehbar“. Die Leute müssten ja trotzdem weiterzahlen. Aber was passiert eigentlich mit dem eingenommenen Geld, fragt sich Fetzer. „Ich persönlich habe das Gefühl, dass die Stadt mit diesem Geld etwas locker umgeht, es in alle möglichen anderen Dinge steckt“, sagt er.

Zufrieden wäre Arnold Fetzer – genau wie Thomas Sander – nur mit der Abschaffung der Satzung. So wie das andere Kommunen vormachen, Zittau zum Beispiel. Wer einschätzt, genug Geld für den Straßenunterhalt einzunehmen, etwa durch Steuern, kann die Satzung abschaffen. Die Kommunen sind frei, das selbst zu entscheiden. Allerdings sollten sie das nicht über die Köpfe der Bürger hinweg tun, mahnt Hans-Joachim Zähr vom Görlitzer Siedlerverein. Er sähe es als echten Kompromiss, wenn Anwohner einem Ausbauvorfahren zustimmen müssen. „Wer zahlen soll, muss auch Mitspracherecht haben.“ In Görlitz ist die Christian-Heuck-Straße in der Landeskronsiedlung ein Paradebeispiel für den starken Willen von Anwohnern. Im Sommer 1998 war der Ausbau der Straße beschlossen worden, auf die dort wohnenden Menschen wären hohe Summen zugekommen. Eine Anwohnerbefragung ergab schließlich ein Nein. Der Stadtrat hob den Beschluss wieder auf.

Hans-Joachim Zähr kam auch schon in den Genuss, Ausbaubeiträge zahlen zu müssen. Davon wäre er für die Zukunft befreit. Trotzdem gefällt ihm der neue Beschluss nicht. „Das Ansinnen kann nur sein: Abschaffung.“ Denn immerhin gibt es noch viele Straßen, die saniert werden müssten. Sehr viele Menschen werden in den kommenden Jahren also noch die Ausbaubeiträge zusammensparen müssen. Auch Zähr findet, dass die Stadt für den Straßenausbau und -unterhalt aufkommen sollte. „Unsere Grundsteuer ist ohnehin höher als anderswo. Warum nicht davon zehn Prozent für die Straßen nehmen?“

Der Plan, den die Große Koalition mit ihrer Idee verfolgt, ist die Abschaffung der Satzung. Und zwar von selbst. In 20 oder 30 Jahren wären alle Straßen, die es heute noch nicht sind, saniert. Dann hätten alle Grundstückseigentümer einmal bezahlt. Die Satzung wäre damit von selbst erledigt.

Natürlich müssen allerdings Eigentümer, die mehrere Grundstücke haben, für jedes zahlen – sofern es an einer auszubauenden Straße liegt. Bürgermeister Michael Wieler über die vermeintlichen Vorteile dessen: „Wenn er das Grundstück verkauft, kann sich der Eigentümer den Beitrag über den Kaufpreis wiederholen. Insbesondere ab jetzt, weil er nun sagen kann, dass der neue Eigentümer für späteren grundhaften Ausbau nicht mehr veranlagt wird.“

Wie viele Straßen in den nächsten Jahren grundhaft ausgebaut werden, kann Michael Wieler nicht sagen. Das hänge von der jeweiligen Haushaltslage ab. Auch das Trostpflaster, das die Beiträge insgesamt sinken werden, ist schon wieder keines mehr. Eigentlich sollte das verbesserte sächsische Förderprogramm zum Straßenausbau die Bürger entlasten, weil es den Kommunen mehr Geld in die Kassen spülen sollte. Allerdings gibt es wegen der günstigen Konditionen viel mehr Anträge von Gemeinden als im Entferntesten gefördert werden können.