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„Eigentlich gehöre ich ins Fußballmuseum“

Gerold Bellmann schaffte es bis in die Juniorenauswahl der DDR. Mit fast 69 Jahren trainiert er bei Stahl Freital die Fußball-Torhüter.

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© Andreas Weihs

Von Jürgen Schwarz

Freital. Rentner haben niemals Zeit. Zugegeben, der Spruch reißt keinen mehr vom Hocker, aber er passt bei Gerold Bellmann wie die Faust aufs Auge. Der ehemalige Torhüter steht dreimal in der Woche bei Stahl Freital auf dem Trainingsplatz und bessert seine Rente als Freier Medienberater in der DDV-Mediengruppe auf. „Lediglich Gartenarbeit zu verrichten ist wirklich nichts für mich“, sagt der 68-Jährige und fügt lachend hinzu: „Eigentlich gehöre ich ins Dresdner Fußballmuseum.“

Nach 30 Jahren Pause brachte sich Bellmann in Heidenau mit dem mittlerweile verstorbenen Wolfgang Friese (l.) und Axel Keller auf den neuesten Stand der Torwart-Schule.
Nach 30 Jahren Pause brachte sich Bellmann in Heidenau mit dem mittlerweile verstorbenen Wolfgang Friese (l.) und Axel Keller auf den neuesten Stand der Torwart-Schule. © Foto: privat
In seiner aktiven Zeit zeigte der heute 69-Jährige so manche „Flugshow“.
In seiner aktiven Zeit zeigte der heute 69-Jährige so manche „Flugshow“. © Foto: privat

Der gelernte Triebfahrzeugschlosser wurde 1949 in Oelsa geboren und begann bei Aufbau Rabenau mit dem Fußballspielen. Mit dem Wechsel zum SC Einheit Dresden nahm seine sportliche Laufbahn richtig Fahrt auf. 1965 wurde er mit Einheit DDR-Vizemeister der Jugend und anschließend für den Kader der Juniorennationalmannschaft nominiert. Reichte es 1966 in Jugoslawien noch nicht für den Kader bei der EM-Endrunde, war er ein Jahr später in der Türkei als Nummer zwei hinter dem Rostocker Dieter Schneider dabei.

Comeback nach 30 Jahren Pause

Im Männerbereich stand er bei der FSV Lok Dresden zwischen den Pfosten und mit „Ede“ Geyer, Werner Friese, Rainer Sachse oder Hans-Ulrich Thomale in einem Team. Ein möglicher Wechsel zu Dynamo Dresden kam nicht zustande. „Es war mal ein Tausch mit Manfred Kallenbach im Gespräch, aber ich wollte zu diesem Zeitpunkt nicht. Später habe ich das schon bereut“, gibt Bellmann zu.

Anfang der 1970er-Jahre folgte die Armeezeit und Bellmann kickte bei Vorwärts Löbau in der DDR-Liga. Anschließend gab es noch einmal ein kurzes Gastspiel bei der FSV Lokomotive – und schließlich heuerte der Schlussmann bei Stahl Freital in der Bezirksliga an. „Ich hatte geheiratet, einen ordentlichen Beruf im Stahlwerk, wo viele Jahre in der Berufsausbildung als Lehrmeister folgten, und war Vater einer Tochter. Das passte alles, der Fußball blieb dann etwas im Hintergrund. Trotzdem durften wir nach der Mittagspause meist schon auf den Trainingsplatz“, erinnert sich Bellmann, dessen kurze Laufbahn als DDR-Auswahlspieler vor allem ein Gutes hatte: „Ich war Reisekader.“

Zwar war er als Torhüter nun nicht mehr ganz oben aktiv, „aber als Zuschauer war ich 1973 in München dabei, als Dynamo im Europapokal nur knapp mit 3:4 im Olympiastadion gegen die Bayern verlor“. Und auch die WM 1974 erlebte Gerold Bellmann live mit. In Hamburg siegte die DDR gegen Australien mit 2:0. „Erlebnisse, die du dein Leben lang nicht mehr vergisst.“

Seine aktive Laufbahn beendete Gerold Bellmann eigentlich schon 1979. „Es gab da ein paar Dinge in Freital, die mir nicht passten, also habe ich bei Stahl aufgehört.“ Etwas Wehmut schwingt in seinen Worten mit. „Als Torhüter mit 30 Schluss zu machen, ist Quatsch. Man sagt ja nicht umsonst, Torleute werden im hohen Alter immer besser.“ Eigentlich hätte sich Bellmann an seinem einstigen Vorbild, dem Russen Lew Jaschin, orientieren können, denn der hatte seine Torwarthandschuhe erst mit 42 ausgezogen.

„Ich habe dann bis Mitte der 1980er-Jahre noch in einer Dresdner Freizeitmannschaft gespielt, aber dann war endgültig Schluss mit dem Fußball.“ Und Gerold Bellmann sagt das nicht nur so daher: „Ich habe danach 30 Jahre in keiner aktiven Form etwas mit dem runden Leder zu tun gehabt – bis 2014!“

Wie so oft im Leben, sind es die kleinen Zufälle, die für Veränderungen verantwortlich zeichneten. Bei Gerold Bellmann war es Enkelsohn Luis Krüger (10), der für das Comeback auf dem Fußballplatz sorgte. „Luis spielt bei Stahl Freital, anfänglich war er Spieler, jetzt steht er im Tor“, berichtet der stolze Opa. Schwiegersohn Stefan Krüger ist Co-Trainer bei Motor Wilsdruff, dessen Bruder Clemens stürmt für den Großenhainer FV in der Landesliga. „Logisch, dass sich plötzlich wieder sehr viel um den Fußball drehte“, so Bellmann, der eines Tages bei einem Spiel seines Enkels vom damaligen Nachwuchschef Rico Kühn angesprochen wurde, ob er sich vorstellen könnte, als Torwarttrainer bei Stahl tätig zu werden. „Ein Comeback nach 30 Jahren, das muss man sich mal vorstellen. Ich habe zugesagt, weil ich wusste, wie wichtig diese Ausbildung im Nachwuchsbereich ist.“

Natürlich musste sich Gerold Bellmann erst einmal auf den neuesten Stand des Torwarttrainings bringen. „Ich habe bei Gunnar Grundmann im Nachwuchsleistungszentrum von Dynamo hospitiert, auch gemeinsame Trainingseinheiten mit dem leider schon verstorbenen Werner Friese waren hilfreich. Zudem habe ich im Österreich-Urlaub die Trainingslager der Bundesligisten besucht und Videofilme gedreht. Schließlich hatte sich das Torhüterspiel in drei Jahrzehnten grundlegend verändert.“

Mindestens noch eine Saison dabei

Dreimal pro Woche steht er nun auf dem Trainingsplatz, insgesamt betreut er zwölf Torhüter im Junioren- und Männerbereich. Bei Heimspielen der Landesklassen-Kicker kümmert er sich auch um das Aufwärmen von Stammkeeper Steffen Beer. Den hält Bellmann übrigens für einen der drei besten Torhüter der Liga, „neben dem Hainsberger Marcel Lohse und dem Sebnitzer Dominik Oppitz“.

Wie lange er als Torwarttrainer arbeiten wird, weiß er nicht. Seine Frau Renate hat kein Problem damit, dass der gemeinsame Urlaub terminlich nach der Fußball-Saison ausgerichtet werden muss. „Bis 70 mache ich weiter. Cheftrainer Jens Wagner und die Verantwortlichen wissen, dass ich für 2018/19 zur Verfügung stehe.“ Die Zusammenarbeit mit Wagner ist etwas ganz Besonderes für Gerold Bellmann, „weil ich früher mit seinem Vater Bernd bei der FSV Lok Dresden zusammengespielt habe.“ Geschichten, die nur der Fußball schreibt.