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Eigenheime statt Garagen

Wohnraum in der Stadt ist gefragt wie lange nicht. Damit gebaut werden kann, müssen neue Flächen her. Mit Konsequenzen für Anwohner.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Ist der Bauboom in Meißen angekommen? Zumindest ist die Nachfrage nach Bauland in der Stadt Meißen derzeit groß. Immobilienfirmen und Privatleute sind bereit zu investieren, die Stadt hofft auf mehr Steuereinnahmen und steigende Einwohnerzahlen und zeigt sich gesprächsbereit, wenn es darum geht, neue Wohngebiete zu erschließen.

Ob Mietwohnungen oder Eigenheimstandorte – gefragt ist so ziemlich alles – in einer Stadt, die durch ihre attraktive Lage im Speckgürtel von Dresden, dafür mit vergleichsweise geringen Preisen für Bauland, punktet. Die Einwohnerzahl ist 2015 gestiegen, um fast 800 Menschen. Ein Trend, der sich fortsetzen könnte. So entsteht am Neumarkt mitten in der Stadt gerade ein Quartier mit knapp 90 Mietwohnungen, die Stadtentwicklungs-GmbH SEEG modernisiert Wohnungen an den unterschiedlichsten Orten der Stadt und baut neuerdings auch selbst: Mitte 2017 sollen drei Häuser an der Siebeneichener Straße fertig sein. Dazu kommt das Engagement von zahlreichen, privaten Investoren. Wie dem Klipphausener Bauunternehmer Uwe Riße, der beispielsweise auf dem Jahnhallen-Areal Luxuswohnungen plant.

Interesse von Immobilienfirmen zieht seit geraumer Zeit auch das Wohngebiet An der alten Ziegelei oberhalb der Meißner Altstadt auf sich. Zwischen Nossener Straße und An der alten Ziegelei haben im letzten Jahr bereits Erschließungsarbeiten für Eigenheime am sogenannten Ziegeleipark begonnen. Ab April 2016 sollen hier 16 Häuser gebaut werden. Fast alle Grundstücke sind bereits verkauft. Jetzt plant die, in diesem Gebiet tätige Firma Lesta-Immobilien einen weiteren Standort zu erschließen. Dafür müssen gut 50 Garagen, die sich derzeit auf einem Areal zwischen dem Wohngebiet An der Grubenbahn und den Reihenhäusern an der Nossener Straße befinden, weichen.

Pächter wurden informiert

„Darüber haben wir die Garagenpächter bereits vor Weihnachten informiert“, erklärt Lesta-Geschäftsführer Maik Lehmann. Einen Teil der noch aus DDR-Zeiten stammenden Verträge mit den Pächtern habe man fristgerecht zum 31. Dezember 2016 gekündigt, andere Nutzer mit neueren Verträgen mit einer Frist zum 28. Februar. In Abstimmung mit der Stadt will Lehmann ab Anfang 2017 mit dem Bau mehrerer Eigenheime auf dem Gelände, wo sich jetzt die Garagen befinden, beginnen.

Seine Firma beabsichtigt, hier insgesamt elf Eigenheime zu bauen. Dazu wird der jetzige Weg zu den Garagen als Einbahnstraße ausgebaut.

Von ihm soll dann ein asphaltierter Zuweg in das Wohngebiet führen, an dessen Ende eine Wendemöglichkeit geplant ist. „Das Areal soll eine Art Dorfanger werden, an dem sich die 700 bis 1 000 Quadratmeter großen Grundstücke kreisförmig anordnen“, spezifiziert Lehmann die Pläne.

Für 13 Garagenbesitzer sind diese allerdings schwer nachvollziehbar. Ihre Garagen sind wesentlich geräumiger als die tpischen DDR-Bauten. Und sie befinden sich genau auf der Grenze zwischen dem laut Bebauungsplan als Bauland vorgesehenen Gebiet und dem von ihnen gepachteten Land, das in Besitz des Meißners Wolfgang Wetzel ist.

Investor zu Gesprächen bereit

Auf dieser Grenze soll in Zukunft die neue Straße zum Wohngebiet entlanglaufen. „Wir verstehen nicht, warum auch wir aufgefordert wurden, unsere Garagen zu räumen, obwohl sie nicht komplett auf Bauland stehen“, sagt Reinhold Pilz. Seine besitzt er seit 1983, hat ein Auto, eine Werkbank und vieles mehr in der beheizten Garage. Bis zum 30. Juni sollen er wie auch die restlichen zwölf Pächter raus. Andernfalls würde sich die Frist zwar bis 31. Dezember verlängern, aber dann laut eines Paragrafen des Schuldrechtsanpassungsgesetzes 50 Prozent Abrisskosten fällig werden. „Die werden wir nicht bezahlen, verlangen ein Entgegenkommen des Investors“, sagt Pilz.

Das hat Maik Lehmann den 13 Pächtern inzwischen zugesagt und auch Vorschläge gemacht, wie er sich eine gütliche Lösung vorstellen könnte. „Rechtlich sind wir auf der sicheren Seite. Trotzdem wären wir bereit zu überlegen, neue Garagen auf dem Pachtland des Herrn Wetzel zu errichten und diese dann an die 13 Pächter zu verkaufen oder zu vermieten“, sagt Lehmann. Dazu müsste aber erst einmal das Pacht- in Bauland umgewandelt werden – ein möglicher aber langwieriger Prozess.

Preis muss stimmen

Zweite Bedingung ist die Bereitschaft Wolfgang Wetzels sein Land überhaupt zu verkaufen. „Am liebsten hätte ich, wenn ich meine Gärten weiter wie bisher verpachten kann“, sagt der Meißner. Er lasse allerdings mit sich reden, sollten wirklich alle Pächter den Willen haben, eine neue Garage zu betreiben. Dann sei er bereit, Pachtland zu verkaufen. „Allerdings nur, wenn der Preis stimmt“, gibt er offen zu.

„Ich glaube ehrlich gesagt auch nicht daran, dass es dazu kommt. Die Nutzer sind nicht neureich, können sich das gar nicht leisten. Und erst recht nicht alle.“ Eine andere Möglichkeit wäre, dass die geplante Einbahnstraße drei Meter weiter nördlich gebaut würde. Dann könnten die Anwohner die bestehenden Garagen eventuell weiter betreiben. Doch hier macht der Investor nicht mit.

„Das ist nach unserer Kalkulation nicht zu realisieren. Wir bauen ja schon die Stichstraße ins Wohngebiet und lassen sie öffentlich widmen, schenken sie praktisch der Stadt. Mehr Einbußen wollen wir nicht“, so Lehmann. Er bietet den 13 Garagenpächtern weitere Gespräche an, um über Probleme zu diskutieren. Zu Zugeständnissen, etwa die Frist betreffend, bis die Nutzer ihre Garagen geräumt haben müssen, sei er bereit. Daran, dass letztendlich gebaut und alle Garagen weichen müssen, dürfte sich allerdings nichts ändern.