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Eier-Krise? Welche Krise!

Der Fipronil-Skandal sorgt weniger für mehr Absatz bei heimischen Bauernhöfen als für mehr Fragen bei den Verbrauchern.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler, Ingo Kramer und Alexander Buchmann

Landkreis. Es ist viel Betrieb an diesem Freitag am mobilen Stand des Bauernhofes von Mario Steinert auf dem Görlitzer Wochenmarkt. Geflügelfleisch geht über die Theke und immer wieder auch Eier, die Steinerts Hühner auf dem Hof in Diehsa legen. Von Stammkunden, die regelmäßig kommen und kaufen, spricht Verkäuferin Anja Bojahr. Aber das nun mehr Kunden nach den Eiern vom Bauernhof nachfragen, ist auch wieder nicht der Fall. Und mehr verkaufen tut Steinert ebenso nicht. „Meine Hühner können ja nicht mehr legen als zuvor auch schon“, sagt er.

Überall ist die Rede von einer Eier-Krise, nachdem Millionen Eier aus den Niederlanden nach Deutschland gelangt sind, die mit dem Insektizid Fipronil verseucht waren. Wie viele Eier es genau waren, darüber streiten sich die Landwirtschaftsminister des Bundes und von Niedersachsen. Die einen sagen es waren elf Millionen Eier, die anderen sprechen von über 30 Millionen. Egal wieviel: Das Bundesministerium für Risikoforschung geht davon aus, dass bei einem durchschnittlichen Verzehr von Eiern kein akutes Gesundheitsrisiko für erwachsene Menschen besteht. Kinder könnten jedoch gefährdet sein. Vom Verzehr der Eier wurde deshalb generell abgeraten. Im Handel sind sie auch nicht mehr zu finden.

Das war noch Anfang August anders. So will ein SZ-Leser im Kaufland-Zentrum in Weinhübel zwei Packungen solcher Eier gekauft haben. „Es war die selbe Nummer auf der Packung, vor der sie gewarnt haben“, erklärt er. Drei Eier hat er verbraucht, die anderen neun weggeschmissen. Passiert ist ihm nichts.

Auch im Görlitzer Stadtgut ist die Eier-Krise nicht spürbar. Es betreibt seine Hühnerfarm auf halbem Weg zwischen Biesnitz und Weinhübel, direkt neben dem Tierheim. „Wir haben im Schnitt um die 10000 Eier pro Tag“, sagt Stadtgut-Mitarbeiterin Claudia Ehrig. An der Zahl habe sich nichts geändert: „Unsere Hennen interessiert es herzlich wenig, welche Skandale gerade in aller Munde sind, sie legen, was sie legen.“ Und das Stadtgut habe schon vor der Krise 100 Prozent seiner Eier verkauft, sodass auch in dieser Hinsicht kein Wachstum möglich ist. „Unsere Handelspartner sind alle langjährige Kunden, deshalb bleiben auch in dieser Hinsicht die Zahlen stabil“, sagt Claudia Ehrig. An den Preisen habe das Stadtgut in der jetzigen Situation nichts verändert, der Umsatz ist also konstant. Trotzdem hat auch Claudia Ehrig schon gespürt, dass manche Verbraucher auf die Nachrichten über die Eier-Krise reagieren oder schlichtweg sich nach Alternativen umschauten, als Aldi die belasteten Eier aus dem Verkehr gezogen und vorübergehend gar keine Eier mehr angeboten hatte. So stellte Frau Ehrig Anfang August auf der Naschallee in der Elisabethstraße fest, „dass wir viel mehr Kunden hatten, die sonst im konventionellen Bereich kaufen.“ Selbst den im Vergleich höheren Preis von 40 Cent pro Stück hätten die Verbraucher da akzeptiert.

Die Unruhe in der Branche ist trotzdem groß. Nicht zu Unrecht, sagt Christian Riedel, der als Chef des sächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes und Eierproduzent in Großenhain in jeder Hinsicht mit Huhn und Ei befasst ist. Riedel hat seinen eigenen Bestand aus rein vertrauensbildender Maßnahme zu den Kunden demonstrativ testen lassen und natürlich, weil die großen Abnehmer den Schein ganz einfach verlangen. Zum Großenhainer Firma gehört auch die Hühnerfarm in Lodenau bei Rothenburg. Auch dort sind die Auswirkungen der Eier-Krise zu spüren – allerdings im positiven Sinn. „Wir merken das schon. Es wird mehr gekauft“, sagt Christina Prötzig von der Hühnerfarm. Der Absatz habe sich dabei nicht nur im Hofladen erhöht, wo Privatleute ihre Eier direkt beim Erzeuger kaufen. Auch Einkaufsmärkte wie Edeka, die mit Eiern aus Lodenau beliefert werden, ordern mehr als zuvor. Natürlich gebe es aber auch besorgte Anrufer, die sich in Lodenau über die Eier erkundigen.

Das Gleiche erleben auch die Mitarbeiter der Geflügelzucht in Gablenz. „Es kommen viele fremde Kunden in den Laden“, sagt Mitarbeiterin Heike Flieger. Mit denen versuche sie, ins Gespräch zu kommen und die Kunden so aufzuklären. Billige Lebensmittel würden auf Kosten der Qualität und auch des Tierwohls produziert. „Wenn man vernünftig und tierwohlgerecht produzieren will, kostet das Geld“, erklärt Heike Flieger. Um diese Preise machen zu können, müssten die Betriebe immer größer und effizienter werden. Der Weg zum regionalen Erzeuger sei da für die Verbraucher eine Alternative, denn dort könnten sie sich erkundigen und auch einen Blick in die Ställe werfen. Dass das verstärkte Interesse der Kunden lange anhält, glaubt Heike Flieger aber nicht. „Ich vermute, dass die Leute das in ein paar Wochen vergessen haben. Dann kaufen sie wieder beim Discounter“, sagt sie. Auch der SZ-Leser aus Weinhübel blieb seinen Einkaufsgepflogenheiten treu: Er holt seine Eier wieder bei Kaufland.