Merken

Ehrendes Gedenken ist kein starres Ritual

Ralph Schermann über die jährlichen Kränze zum 17. Juni

Teilen
Folgen

Gedenken ist veränderbar. Je kürzer der zeitliche Abstand, umso wichtiger ist das Erinnern an einschneidende Ereignisse. Das gilt privat wie offiziell, in der Familie wie in der großen Politik.

Der Erste Weltkrieg ist weniger in den Köpfen der Menschen als der Zweite und noch viel weniger als der Schlesische Weberaufstand. Das geflügelte Schülerwort gilt so sarkastisch wie treffend: „Ich weiß, dass die Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre neun war, aber ich weiß nicht wirklich, warum ich das weiß.“

Seit 1990 wird in Görlitz jener gedacht, die am 17. Juni 1953 auf die Straße gingen und für kurze Zeit die Macht an sich rissen. Wenn Johnny Muszala, Kurt Jaeger, Günter Assmann und weitere Zeitzeugen berichteten, wurde Geschichte aus ihrer Sicht erlebbar. Doch die Zeiten werden schneller, Menschen leben nicht ewig, das Interesse schwindet. Schon oft stand die Frage, warum so wenige zu den Kranzniederlegungen kommen und ob Schulklassen tatsächlich einem eigenen Teilnahmewunsch folgen. Am Sonnabend stehen diese Fragen um 11.30 Uhr am Postplatz besonders deutlich: Das Gedenken an den 17. Juni fällt diesmal auf ein Wochenende.

Es ist auf jeden Fall richtig, Erinnerungen an jenen Schicksalstag zu pflegen, erst recht in Görlitz, einem damals örtlichen Schwerpunkt. Doch das funktioniert eben nicht im Versinken in Routine, wie es nicht anders einst den verordneten Ritualen am „Tag der Befreiung“ erging. Über neue Formen des ehrenden Gedenkens darf durchaus nachgedacht werden.