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Echt Erzgebirge

Am Wochenende wurde auch in Pesterwitz wieder die Pyramide angeschoben. Wie ist sie eigentlich dort hingekommen?

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© SZ/St. Klameth

Von Steffen Klameth

Freital. Am Haus steht das schlichte Wort „Holzschnitzerei“. Natürlich geschnitzt. Ein großes Schaufenster gibt den Blick frei auf Schwibbögen und Leuchter, Pyramiden und Räuchermänner. Natur, Lasur, Farbe. Geschnitzt und gedrechselt. Traditionell und modern. „Die Geschmäcker der Leute sind verschieden“, sagt Ullrich Timmel, „und jede Werkstatt hat ihren eigenen Stil.“

Timmel ist Schnitzer, in dritter Generation. Sein Großvater hat 1928 damit angefangen, hier in Lichtenberg. „Lichtenberg im Erzgebirge“, betont Ullrich Timmel. Ein langgestrecktes Dorf im Landkreis Mittelsachsen, nur wenige Kilometer von Freiberg entfernt. Was Lichtenberg mit Pesterwitz zu tun hat? Hier ist sie entstanden, die Pesterwitzer Pyramide. In Ullrich Timmels Werkstatt.

„Wir liefern regelmäßig Äpfel in diese Gegend“, erzählt Lars Folde, Chef des Obst- und Weingutes Pesterwitz. Bei einer der Touren habe er in einem Garten eine große Pyramide entdeckt – und spontan gedacht: „Das wäre was für unser Dorf.“ So landete er bei der Holzschnitzerei Timmel. Folde stieß auf offene Ohren, durfte auch eigene Wünsche äußern.

Keine Engel, stattdessen Strietzelkinder, Bergmänner und Winzer sollten das Kunstwerk zieren. Dass am Sockel noch Elemente des Firmenlogos verewigt wurden, war nicht abgesprochen – aber freute den Auftraggeber umso mehr. Rund 4 000 Euro habe er für die etwa drei Meter hohe Pyramide gezahlt, sagt Folde nach einigem Zögern. Seit 2009 steht sie in der Weihnachtszeit auf seinem Hof und wurde auch in diesem Jahr traditionell am ersten Advent mit einer kleinen Feier in Gang gesetzt – der Anschub, wie es in der Fachsprache heißt. Ullrich Timmel werkelt unterdessen längst an seinem nächsten Auftragswerk. „90 Prozent aller Arbeiten gestalte ich nach Kundenwunsch“, sagt er. Der 53-Jährige mag es, wenn er dabei auch kreativ sein kann – etwa wenn jemand die Kirche von Oberbobritzsch als Motiv auf einem Schwibbogen möchte. Oder ein Pferdefuhrwerk mit Bierfässern. Von Oktober bis Dezember herrscht bei ihm Hochbetrieb, oft steht er dann zehn Stunden am Tag in seiner Werkstatt, auch am Wochenende. In den anderen Monaten geht es etwas ruhiger zu, dann fertigt er vor allem Leuchter.

Über mangelnde Arbeit kann Timmel nicht klagen. Aber seinen Stundenlohn wolle er gar nicht erst ausrechnen, sagt er. Deshalb verkauft er auch Ware seiner Kollegen aus Seiffen und anderswo: „Das ist mein zweites Standbein.“ Dass zunehmend auch Billigartikel aus China auf Weihnachtsmärkten angeboten werden, muss er hinnehmen. „Aber bitteschön nicht am gleichen Stand!“ Timmels Schnitzereien erkennt man zum Beispiel am Wurzelwerk, das den Fuß eines Schwibbogens umrankt. Und an der Lasur, durch die die Holzstruktur hindurchschimmert. Manches wirke aber in Farbe besser, gibt er zu. Beim Bemalen geht ihm sein Vater zur Hand.

Und welcher Weihnachtsschmuck steht in seiner Wohnung? „Eine Pyramide, ein Schwibbogen, zwei Bergmänner und zwei Engel.“ Die Engel symbolisieren Mutter und Tochter, die Bergmänner Vater und Sohn. Schnitzer will keines der beiden Kinder werden.

Mehr über die Pyramide ist im neuen „Pesterwitzer Dorfgeflüster“ zu erfahren. Das Heft ist ab Ende der Woche u. a. im Pesterwitzer Bauernladen erhältlich.

www.timmelschnitzer.de