Merken

Durch Drogen alles verloren

Weil sie ohne Fahrerlaubnis mit dem Auto erwischt wurde, sitzt eine junge Frau vor dem Richter. Doch sie hat ein noch viel größeres Problem.

Teilen
Folgen

Von Jürgen Müller

Es ist nachts kurz nach drei Uhr im August vorigen Jahres, als eine Polizeistreife in einem Zivilfahrzeug auf der B 101 patrouilliert. Da kommt den Polizisten ein Auto entgegen. Es ist das einzige weit und breit. Nein, es fährt nicht auffällig. Dennoch entscheiden sich die Polizisten zu einer Routinekontrolle. Irgendwie muss man die Nachtschicht ja rumkriegen, wenn sonst nichts passiert. Sie wenden am Abzweig Gasern, verfolgen den Polo, halten ihn an der Hochuferstraße in Meißen an. Die Routinekontrolle wird ein Volltreffer. Die junge Frau kann weder Ausweis noch Führer schein vorlegen. Beides habe sie zu Hause vergessen, sagt sie. Nur die Fahrzeugpapiere hat sie bei sich. Schnell stellt sich heraus: Sie hat keine Fahrerlaubnis. Die wurde ihr wegen Fahrens unter Drogen entzogen.

Sehr frech und gereizt

Auch diesmal steht sie wieder unter Drogen. Sie ist starken Stimmungsschwankungen unterlegen, ihre Pupillen sind geweitet, reagieren nicht auf Licht. „Sie war sehr frech und gereizt, sagte uns, dass sie trotzdem weiterfahren wird“, sagt der Polizist aus, der sie kontrollierte. Deshalb konfiszieren die Beamten erst mal den Fahrzeugschlüssel, woraufhin die junge Frau die Polizisten beleidigt mit Worten, die hier nicht wiedergegeben werden sollen. Dass sie die Beamten die ganze Zeit duzt, ist für sie normal. Dass diese sich das verbitten, interessiert sie nicht die Bohne. Einen Drogentest verweigert sie. Ein Staatsanwalt ordnet schließlich den Bluttest an. Der ergibt, dass sie einen ganzen Drogencocktail im Blut hat.

Wie lange sie denn schon Drogen nehme, will der Richter wissen. Die Angeklagte will darauf nicht antworten, sagt schließlich, dies sei nach der Geburt ihrer Tochter vor zwei Jahren der Fall gewesen. Das kann aber nicht stimmen. Angefangen hat ihre Drogenkarriere schon viel früher, 2005 kam sie erstmals deswegen mit der Justiz in Berührung. Da war sie 14 und gerade strafmündig geworden. Erst hat sie Haschisch genommen, später Crystal. Und im November 2011 musste sie sich wegen einer Drogensache erneut vor Gericht verantworten, damals noch vor der Jugendrichterin. Der hatte sie das genaue Gegenteil erzählt. Seit sie ein Kind habe, sei es mit den Drogen vorbei, behauptete sie damals. Durch die Drogen hat sie alles verloren. Das Jugendamt hat ihr das Kind entzogen, sie verlor wegen ihrer Drogengeschichte das „Aufenthaltsbestimmungsrecht“ für ihr Kind, wie es im Beamtendeutsch heißt. Der Führerschein ist weg und dadurch auch der Job. Den Führerschein will sie unbedingt wiederhaben, den brauche sie, um zu ihrem Kind zu kommen, das bei dem Vater lebt, vor allem aber für ihre Arbeit. Für welche Arbeit denn, will der Richter wissen. Nun, sie wolle sich selbstständig machen in der Immobilienbranche, sagt die junge Frau. Ob sie denn einen kaufmännischen Abschluss habe, fragt die Staatsanwältin. Nein, hat sie nicht, auch keinen anderen Berufsabschluss. Eine Friseurlehre brach sie ab. Nicht mal einen Schulabschluss kann sie aufweisen, ging in die Förderschule, und das ziemlich unregelmäßig. Zuletzt gar nicht mehr. Schulverweigerer nennt man so was. Sie fleht den Richter an: „Ich brauche meinen Führerschein wieder.“ Der sieht das anders: „Sie brauchen Ihre Gesundheit wieder.“ Einen ersten Schritt hat sie dazu gemacht. Sie geht zur Suchtberatung, hat auch eine Überweisung zur Entgiftung.

Die Angeklagte zeige zwar Reue und Einsicht, sagt die Staatsanwältin, doch wie ernst zu nehmen oder ob es nur auf äußeren Druck zurückzuführen sei, wisse sie nicht. Sie habe die Fahrt aus nichtigem Grund unternommen. Die Staatsanwältin fordert eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen. Ein Tagessatz sollte mit 5 Euro bemessen werden, da die Angeklagte kein Einkommen habe, nur vom Kindergeld und von ihren Eltern lebe. Das Gericht verurteilt sie zur beantragten Geldstrafe von 250 Euro. Dies sei das Unterste, was man verhängen könne, betont der Richter. „Sie haben sich durch Drogen alles versaut: Kind weg, Job weg, Führerschein weg“, konstatiert er.

Fahrerlaubnis lange weg

Eine Fahrerlaubnissperre verhängt das Gericht nicht. Die ist sowieso für lange weg. Um sie wieder zu bekommen, muss die Angeklagte eine medizinisch-psychologische Untersuchung bestehen, auch „Idiotentest“ genannt. Die kostet nicht nur viel Geld, sondern setzt voraus, dass sie clean ist. „Wenn Sie bei der MPU genauso rumeiern wie hier, können Sie sich das gleich sparen“, rät ihr Richter Andreas Poth.