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Dunkle Wolken überm Acker

Deutschlands Bauern droht Ungemach. Wegen des Brexits schrumpft das EU-Budget kräftig, in den nächsten Jahren könnten Milliarden wegfallen. Für ländliche Regionen könnte das schwere Folgen haben.

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© Harald Tittel/dpa (Symbolfoto)

Von Martina Herzog, Elmar Stephan und Alkimos Sartoros

Brüssel. Was haben britische Wähler mit der Finanzlage deutscher Bauern zu tun? Mehr als man vielleicht denkt. Denn wenn Großbritannien demnächst die EU verlässt - wie beim Referendum 2016 gefordert -, dann reißt das Land eine Lücke im EU-Haushalt. Die anderen 27 Mitglieder müssen ohne die finanzstarken Briten planen, Ausgaben kürzen - und es dürfte auch die Bauern treffen. Das könnte an die Existenz gehen, sagen Betroffene. Denn praktisch jeder Landwirtschaftsbetrieb in Deutschland hat Anspruch auf EU-Geld.

Einbußen zwischen fünf und zehn Prozent sollen auf die Bauern in Europa zukommen, wenn es nach EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) geht. Derzeit tüftelt Oettinger an Vorschlägen für die nächste mehrjährige Finanzperiode für die Zeit nach 2020.

Für Landwirt Ulrich Löhr wären Kürzungen schmerzhaft. In der Region Wolfsburg bewirtschaftet er einen großen Betrieb von 280 Hektar, das sind 2,8 Quadratkilometer. Bei Ackerbauern wie ihm machten die ganz überwiegend aus EU-Geld bestehenden Transferzahlungen etwa 60 Prozent des Betriebseinkommens aus, sagt Löhr, der auch Vizepräsident des Bauernverbands Landvolk Niedersachsen ist. Jeder Betrieb sei von Geld aus Brüssel abhängig, das sei ein wichtiger Teil des Einkommens.

Diese „Direktzahlungen“ erhalten alle Bauern, die sie beantragen, aus dem EU-Haushalt. Sie hängen vor allem von der Größe der bewirtschafteten Fläche ab. Bei Geldern für den ländlichen Raum, die teilweise ebenfalls den Landwirten zugute kommen, haben die nationalen Regierungen mehr Spielraum bei der Ausgestaltung.

Deutschland profitiert dabei erheblich. Von 2014 bis 2020 sind 34,7 Milliarden Euro an Direktzahlungen vorgesehen. Rund 9,5 Milliarden Euro sind für die Entwicklung des ländlichen Raums eingeplant.

Haushaltskommissar Oettinger wird am EU-Agrarbudget wohl zwangsläufig den Rotstift ansetzen. Schließlich macht es mit rund 40 Prozent beziehungsweise 58 Milliarden Euro pro Jahr den größten Posten im EU-Haushalt aus.

Doch warum wird ein ganzer Wirtschaftszweig mit Steuermitteln gestützt? Müsste dieses Geld nicht stärker an Naturschutzmaßnahmen gekoppelt werden, wie es etwa die Grünen fordern? „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ wird das gern genannt.

Nein, meint Löhr. Für deutsche Landwirte gälten ohnehin schon recht viele Vorschriften. „Als Ackerbauer konkurriere ich mit Anbietern aus Kasachstan, der Ukraine oder Argentinien - und die haben weniger Auflagen zu beachten als wir in Deutschland.“ Hermann Wesseler aus Bissendorf im Osnabrücker Land sieht das genauso. Die Direktzahlungen als „Subventionen“ zu bezeichnen, ärgert ihn: Wenn die Marktpreise für Ackerfrüchte besser wären, würden Direktzahlungen nicht benötigt.

Und die Anforderungen sind ja schon gewachsen. Neben der reinen Lebensmittelversorgung spielen mittlerweile Klima- und Umweltauswirkungen der Landwirtschaft eine wesentlich größere Rolle.

Eduard Luitjens, Milchbauer aus dem ostfriesischen Westoverledingen und Mitglied der stärker ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), sieht in der Diskussion vor allem bei den Direktzahlungen Einsparpotenzial. „Man sollte eine Obergrenze ziehen - bei 500 Hektar ist Schluss“, sagt er. Außerdem sollte bei den Zahlungen auch berücksichtigt werden, wie viele Menschen auf einem Hof beschäftigt werden.

Hintergrund ist, dass unterm Strich ein Großteil aller EU-Gelder wegen der Kopplung an die bewirtschaftete Fläche an große Betriebe fließt. Im Gespräch ist daher, etwa für die ersten Hektar mehr zu zahlen, um somit vor allem kleineren Betrieben zu helfen, und dann bei zunehmender Fläche die Summe pro Hektar zu senken.

Die meisten Agrar-Direktzahlungen erhalten dabei in Deutschland übrigens bayerische Bauern. Mit größerem Abstand folgen nach Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums für 2016 dann Niedersachsen mit Bremen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.

Welche Folgen hätte es nun, wenn die Zuwendungen um zehn Prozent gekürzt würden? AbL-Mitglied Luitjens und der Landvolk-Vizepräsident Löhr sind sich einig: Viele Betriebe würden aufgeben.

Der irische EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat deshalb Verständnis für die Sorgen der Landwirte - und am liebsten würde er Kürzungen vermeiden. Aber der Agrarsektor müsse wegen des Brexits „seinen Part übernehmen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Hinter den Kulissen laufen schon die Gespräche, die Beteiligten halten sich aber bedeckt - so auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU). „Mein Ziel ist eine solide Finanzierung der gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik“, sagte sie der dpa. Wie diese aussehen kann, ist allerdings offener denn je. (dpa)