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Dürftige Zeit für Görlitzer Wirte

Die Statistik zeigt ein positives Bild vom Gastgewerbe, auch in gästeschwachen Zeiten. Dazu gibt es andere Ansichten.

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© Nikolai Schmidt

Von Matthias Klaus

Görlitz. In den vergangenen zehn Jahren konnte Görlitz die Übernachtungszahlen der Besucher fast verdoppeln. Diese frohe Botschaft teilte die Europastadt-Gesellschaft Görlitz-Zgorzelec im Februar dieses Jahres mit. Die Gästezahlen steigen seit 2006 um 73 Prozent. Und: Görlitz soll als Winterreiseziel stärker beworben werden. Im November vergangenen Jahres schaltete die Europastadt GmbH deshalb Anzeigen in regionalen und nationalen Medien, im Internet und in Zeitschriften. Plakate an ICE-Zügen von September bis November kamen hinzu. Ziel des Ganzen: Görlitz für Advents- und Winterbesuche fit zu machen, für den schlesischen Christkindelmarkt, für die neue Eislaufbahn.

Passend dazu gab die Stadt jetzt die neuen Statistik-Zahlen für den vergangenen Januar heraus. Und die lesen sich so, als ob die Werbeaktionen für Görlitz als Winterwunderland Erfolg hatten. Über 10 700 Übernachtungen registrierte das Rathaus im Januar dieses Jahres, 2016 waren es reichlich 9 600. Vor allem Hotels und Gasthöfe profitierten demnach. Im Januar waren 44 klassische Hotels, also mit Restaurantbetrieb, in Görlitz registriert, außerdem drei Gasthöfe. Die Zahl der angebotenen Betten- und Schlafgelegenheiten blieb seit 2015 relativ konstant in beiden Einrichtungsarten. Dennoch stieg die Auslastung, zum Teil recht drastisch. Über 18 Prozent lag sie im Januar bei den Gasthöfen, im Vergleichsmonat des Jahres zuvor bei gut neun Prozent.

Von einem Aufwärtstrend will Michael Hoffmann angesichts dieser Zahlen allerdings nicht reden. „Wir sprechen da in unserem Haus beispielsweise von einer Veränderung von drei bis vier Übernachtungen“, sagt der Inhaber des Gasthofes und Hotels Dreibeiniger Hund. So gut wie vernachlässigbar also. Der Anfang des Jahres bleibe nun einmal das Problem im Gastgewerbe, sagt der Gastronomieexperte aus Erfahrung. „Es gibt eben immer ein Hoch und ein Tief in unserem Gewerbe“, so Michael Hoffmann. Januar, Februar zähle nun mal zu Letzterem.

Wie die positiven Zahlen zustande kommen – er kann es sich nicht erklären. „Wirtschaftlich gesehen ist der Jahresanfang für unser Unternehmen kaum zu stemmen“, sagt der Chef des Dreibeinigen Hundes. Eigentlich, so sagt er, müssten in der gästeschwachen Zeit sogar Mitarbeiter entlassen oder freigestellt werden. Aber dann kommt das Frühjahr, der Sommer. „Und dann überschlagen sich unsere Mitarbeiter fast wegen der vielen Arbeit“, sagt Michael Hoffmann. Insgesamt sehe er einen guten Jahresdurchschnitt – aber eben mit Tiefen und Höhen.

Sylvia Otto, Sprecherin des Görlitzer Rathauses, erläutert, wie die statistischen Zahlen, die die Stadtverwaltung herausgibt, zustande kommen. „Die Monatszahlen enthalten auf 14 Seiten Tabellen und Diagramme zu den verschiedensten Bereichen, Bevölkerung, Bevölkerungsbewegung, Arbeitsmarkt, Gewerbe, Baugenehmigungen, Straßenverkehrsunfälle, Verbraucherpreisindex, Beherbergungswesen“, schildert sie. Herausgegeben werden die Monatszahlen von der städtischen Statistikstelle, wobei unter jeder Tabelle die Quelle explizit genannt ist.

Eine Besonderheit gibt es für das Gastgewerbe. Es gibt eine monatliche Berichtspflicht von Beherbergungsstätten mit zehn und mehr Schlafgelegenheiten an das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen. „Dort werden die Ergebnisse aufbereitet und schließlich für verschiedene regionale Gliederungen veröffentlicht“, so Sylvia Otto. Abgegebene Statistiken würden grundsätzlich anonymisiert und zusammengefasst. „Aus Datenschutzgründen darf kein Rückschluss auf einen einzelnen Betrieb und somit auch nicht auf dessen Betriebsergebnis möglich sein“, so die Stadtsprecherin.

Michael Hoffmann wiederum sieht die Stadt im Bereich Gastgewerbe stärker in die Pflicht genommen. „In der Verwaltung ist man offensichtlich der Meinung: Das läuft schon. Aber so einfach ist es nicht“, sagt er. Ob eine neue Europastadt-Gesellschaft das Ganze ändern kann? „Ich kann mir da natürlich kein Urteil bilden“, sagt Michael Hoffmann. Und: „Wenn wir das derzeitige Niveau halten könnten, wäre es gut, wenn es besser würde, sehr gut.“