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„Du unterrichtest jetzt Keyboard!“

Vor 25 Jahren gründeten Angelika und Frank Herrmann eher ungeplant eine Musikschule in Radeberg. Dass es gleich eine ganz besondere wurde, ahnten sie nicht.

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© Olaf Berndt

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Dass sie die Ersten in Sachsen sind, die diesen Schritt wagen würden, haben sie damals nicht gewusst. Und es wäre ihnen wohl auch egal gewesen, sie hatten ganz andere Sorgen. Damals, vor nun schon wieder 25 Jahren. Also gründeten Angelika und Frank Herrmann in Radeberg dann die erste private Musikschule Sachsens; ohne es zu ahnen.

Viel Glück zur Staffelstabübergabe an Tochter Anne Scheibler wünschte auch Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz.
Viel Glück zur Staffelstabübergabe an Tochter Anne Scheibler wünschte auch Bundestagsabgeordneter Arnold Vaatz. © Olaf Berndt

Eigentlich waren sie ja Musiker. Und eigentlich wollten sie das auch bleiben. Als Duo „Fam“ waren Angelika und Frank Herrmann von Radeberg aus durch die DDR gezogen – die Abkürzung „Fam“ stand dabei für Familie. Aber mit der Wende gab es plötzlich keine Auftrittsmöglichkeiten mehr; die Tanzbars und Discos klagten über Besucher- und damit auch Geldmangel. Also hatte Frank Herrmann eine Idee: Gemeinsam mit seiner Frau eröffnete er an der Oberstraße im Herzen Radebergs ein Musikgeschäft, 22 Quadratmeter groß, das weiß er noch heute ganz genau. 1991 war das, und vor allem Keyboards waren damals der Renner. Und irgendwann fragte der erste Kunde, ob er denn nicht auch gleich noch das Keyboardspielen lernen könnte. „Und als ich den Fünften weggeschickt hatte“, sagt Angelika Herrmann lachend, „habe ich zu meinem Mann gesagt: Du unterrichtest jetzt Keyboard“. Was blieb ihm da anderes übrig – und aus Frank Herrmanns „Ja“ wurde dann eben Sachsens erste private Musikschule …

Ein Vierteljahrhundert ist das nun also her, und natürlich ist das Anlass, zu feiern – „und auch, um das Ganze in jüngere Hände zu geben“, findet Angelika Herrmann. Und so wurde die musikalisch-furiose Geburtstagsfeier auf Schloss Klippenstein dann auch gleich noch zur Staffelstab-Übergabe. Die Leitung der Musikschule übernimmt ab Januar Tochter Anne Scheibler, unterstützt von ihrer Schwester Conny Herrmann. „Ich war damals 13; habe das alles hautnah miterlebt“, denkt Anne Scheibler zurück. Und weil sie alles miterlebt hat, gab es für sie auch gar keine Frage, ob sie das von ihren Eltern Aufgebaute nun weiterführen wird. „Na klar“, lautete ihre knappe, aber entschiedene Antwort. Es ist das Lebenswerk ihrer Eltern, in dem aktuell rund 300 Schüler lernen, verteilt auf den Hauptstandort in Radeberg und die Außenstellen in Weißig und Klotzsche.

Und Anne Scheibler wird sicher auch einige neue Wege gehen, macht sie klar. Und auch Angelika Herrmann sieht es so: „Es ist jetzt auch mal Zeit für Neues.“ Aber die Töchter werden natürlich nicht alles über den Haufen werfen. „Warum auch?“, fragt Anne Scheibler. Und wird philosophisch: „Nur, wer seine Wurzeln kennt, weiß, wohin er gehen muss!“ Es sind stabile Füße, sagt sie dann, auf denen die Schule steht.

Musik als Wegweiser

Und dass die Herrmanns darauf durchaus stolz sein können, das machte nicht zuletzt der prominente Besuch zum Jubiläums-Konzert im Schloss deutlich. Landrat Michael Harig (CDU) schaute extra vor einem wichtigen politischen Termin vorbei. Es war ihm ein Bedürfnis, machte er klar. „In diesen schwierigen Jahren nach der Wende gehörte schon ein kräftiges Stück Mut dazu, eine Musikschule zu gründen – in dem Wissen, dass der Monat sehr schnell zu Ende ist und man dann die Mitarbeiter und die Miete bezahlen muss“, verwies der Landrat darauf, dass das Ganze durchaus ein Wagnis gewesen war. Froh sei er, dass die beiden Radeberger dieses Wagnis eingegangen sind. Die Musikschule sei ein wichtiger kultureller Baustein im Landkreis, ist der Landrat überzeugt. Und verriet gleich noch, dass auch er mal ein Instrument gelernt hat: „In der Kirche habe ich Flügelhorn gespielt – ich weiß also, wie viel Geduld es braucht, jungen Leuten die Musik nahe zu bringen“, sagte er mit einem Schmunzeln. Und er wolle diese Erfahrung keinesfalls missen. „Musik ist ohne Takt und Rhythmus nicht möglich und auch das Leben ist ohne Takt und Rhythmus nicht möglich – Musik ist ein wichtiger Wegweiser“, findet Michael Harig.

Wie wichtig Musik vor allem für Kinder und Jugendliche ist, weil sie viele wichtige Eigenschaften vermittelt, weiß dabei auch der hiesige Bundestags-Abgeordnete Arnold Vaatz (CDU), der ebenfalls zum Gratulieren vorbeischaute. „Ich bin ja selbst Großvater von fünf fröhlichen Enkeln und hoffe, dass sie nicht meine Unmusikalität geerbt haben“, räumte er ein. Und er verwies auf eine durchaus stolze Reihe von namhaften Sachsen, die sich um die Musik verdientgemacht haben. Wie Heinrich Schütz beispielsweise, nach dem ja die fast schon berühmte Dresdner Musikschule, das Schütz-Konservatorium, benannt ist. Sachsen sei ganz klar auch ein Musikland, ist Arnold Vaatz überzeugt – „und Musikschulen, wie die Musikschule Herrmann bilden ja letztlich auch den Nachwuchs für unsere großen und vor allem großartigen sächsischen Klangkörper aus“.

Sprachbarrieren aufheben

Und dass die Musikschule Herrmann dabei auch ein wichtiger Baustein für das Kulturleben in Radeberg ist, darauf machte in seiner kurzen Rede auch Detlev Dauphin aufmerksam. Er war als stellvertretendes Stadtoberhaupt in Vertretung des terminlich verhinderten Oberbürgermeisters gekommen; und auch er hatte eine interessante Geschichte zur Rolle der Musik zu erzählen. „Musik kann verbinden, über Sprachbarrieren hinaus, das habe ich in Finnland gespürt.“ Dort, so verriet der Radeberger Architekt, habe er lange Jahre ein Sommerhäuschen gehabt und sich dort regelmäßig mit seinem finnischen Nachbarn in der Sauna getroffen. „Er sprach nur Finnisch, was ich nicht konnte“, beschrieb Detlev Dauphin. „Also haben wir einfach Lieder gesungen.“ Eines war dabei „Man müsste Klavier spielen können“, und auf diese Weise haben sich Detlev Dauphin und sein finnischer Nachbar dann jeden Sommer verstanden. „Musik war unsere gemeinsame Sprache, das passt ja auch aktuell ganz gut in die Zeit“, findet er.

Es gibt also viele Gründe, zu feiern, dass sich die Herrmanns vor 25 Jahren trauten und ohne es zu wissen, Sachsens erste private Musikschule gründeten. In Radeberg.

In den nächsten Tagen wird die SZ in einer kleinen Serie Geschichten aus den vergangenen 25 Jahren der Musikschule Herrmann erzählen.