Von Henry Berndt
Eine hippe Baseballkappe in Orange, eine fette Brille und eine richtig fette Polyesterjacke. So kennt man Adel Tawil. Nicht. „Ja, so alt bin ich schon“, gesteht der 36-Jährige am Sonnabendabend vor der ausverkauften Jungen Garde in Dresden. Er spricht von seinen Anfängen in den 90ern, als er mit der Band „The Boyz“ immerhin einen Hit hatte: „One Minute“. Das Musikvideo dazu im Internet wird seit dem Wochenende sicher wieder einige Klicks mehr zu verzeichnen haben.
Adel Tawil in der Jungen Garde
2014 in Dresden steht ein anderer Adel Tawil auf der Bühne, einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Popmusiker dieser Tage, ein Mainstream-Held aus dem Radio – für alle Generationen. Selten fühlen sich bei einem Popkonzert Jung wie Reif gleichermaßen gut aufgehoben. Grundschulkinder singen die Texte mit, eine Mitt-Sechzigerin schwingt ganz vorn bei „Der Himmel soll warten“ den Hip-Hop-Arm.
In diesem Jahr gewann Adel Tawil den „Echo“ als bester Newcomer National. Dabei ist allenfalls sein Beziehungsstatus neu. Bis vor wenigen Monaten war der Berliner ägyptisch-tunesischer Abstammung Teil des Musikprojekts „Ich + Ich“, dessen anderer Teil Annette Humpe war. Zusammen verkauften sie seit ihrer Gründung 2003 bis heute mit Hits wie „Vom selben Stern“ und „Stark“ mehr als drei Millionen Alben.
Live trat die von Lampenfieber geplagte Annette Humpe allerdings nie mit auf – sodass es für die Konzertbesucher kaum einen Unterschied macht, ob nun Adel Tawil oder „Ich + Ich“ auf der Karte steht. Zumal der Solokünstler Tawil auch die gemeinsamen Klassiker singen darf.
Ganz der Profi, packt er an den Beginn seines Konzerts erst mal eine Handvoll Songs, die keiner so recht hören will, die aber trotzdem irgendwie mit müssen. Warum gleich so viel vom neuen Album, fragt man sich, nur um einen Moment später zu realisieren: Der Mann hat ja erst eine Soloplatte draußen.
Nach einer halben Stunde wirft Tawil die Hitmaschine an und hat sogleich das Publikum auf seiner Seite. Vor allem wegen der hymnischen Melodien aus „Kartenhaus“, „Zuhause“ und „Stark“ sind die Leute gekommen. Und natürlich wegen dieses einen Songs, der beweist, dass die einfachsten Ideen manchmal die besten sind. Einfach mal die Titel von 33 Klassikern zu einem Lied zusammenfügen und das Ganze mit der eigenen Biografie verweben. „Lieder“ ist einer der in den vergangenen Monaten am häufigsten im Radio gespielten Titel. Kein Wunder, dass jeder bis zur letzten Strophe mitsingen kann.
Jetzt geht Tawil endgültig auf Tuchfühlung mit seinen Fans. Er klatscht in den ersten Reihen ab, hält Kindern sein Mikrofon unter die Nase und sprintet dem Sicherheitsmann davon mitten in die Masse, wo er sich auf eine Sitzbank stellt und schelmisch grinsend weitersingt. Soll wohl heißen: Er fühlt sich immer noch wie „vom selben Stern“.
Selten werden Vorbands bei Konzertberichten erwähnt, diese hier hat es verdient: Alexa Feser, 35, Songwriterin aus Wiesbaden, war früher mal Backgroundsängerin bei den „No Angels“ und Ricky Martin. Jetzt macht sie selbst Musik, und nicht nur ihre melodisch starke Single „Wir sind hier“ kann sich hören lassen.