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Mehr Druck auf den „Nafri“

Die Krawalle von Schorndorf haben die Debatte um den Umgang mit straffälligen Zuwanderern angefacht. In NRW sind es vor allem Nordafrikaner, mit denen es Probleme gibt. In Düsseldorf wird inzwischen durchgegriffen.

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© dpa

Frank Christiansen

Düsseldorf. „Den Antanztrick kennt ja inzwischen wirklich jeder“, sagt Ermittler Dietmar Kneib. „Auf den fällt kaum noch jemand herein.“ Die Diebe, die in der Düsseldorfer Altstadt seit einigen Jahren ihr Unwesen treiben, kennt inzwischen in der Stadt auch jeder: Es sind vor allem junge Männer aus Nordafrika, die dort mit Trickdiebstählen auffallen.

Eine ganze Weile kamen die Diebe billig davon. Wenn sie mal erwischt wurden, waren sie in der Regel nach wenigen Stunden wieder auf freiem Fuß. Diebstahl ist normalerweise kein Haftgrund. Wurde das Verfahren nicht eingestellt, kam die Vorladung zum Strafprozess - Monate später - dann häufig als unzustellbar zurück. „Mich hat das auch geärgert“, bekennt Kneib, Vize-Chef der Düsseldorfer Kriminalpolizei.

Die Zahl der Straftaten, bei denen Nordafrikaner als Tatverdächtige in Nordrhein-Westfalen registriert wurden, kletterte Jahr für Jahr in die Höhe: Von 9 700 Taten in 2012 auf 31 500 im vergangenen Jahr. Das gilt für die Herkunftsländer Marokko, Algerien, Libyen und Tunesien.

Nordrhein-Westfalen ist deswegen Brennpunkt, weil das Bundesland in der Vergangenheit den Löwenanteil der Zuwanderer aus Nordafrika zugewiesen bekam. Ursache: Die Dolmetscher des Bundesamts für Migration saßen in den Außenstellen in NRW - es ging um kurze Wege.

Bundesweit sehen die Zahlen laut BKA-Polizeistatistik ähnlich aus: Wurden 2012 von Verdächtigen aus den vier nordafrikanischen Staaten laut Polizeistatistik 12 900 Straftaten begangen - die ausländerrechtlichen Delikte immer ausgenommen - waren es 2016 bereits fast 32 000 - ein Anstieg um rund 150 Prozent.

In Düsseldorf hatte die Polizei in einer Analyse namens „Casablanca“ 2 244 Menschen der nordafrikanischen Diebesszene zugerechnet. Die traf sich in „Klein-Marokko“, wie das Maghreb-Viertel nahe dem Hauptbahnhof genannt wird. Dort waren die alteingesessenen nordafrikanischen Ladenbesitzer auf die Neuankömmlinge nicht gut zu sprechen. Die Teestuben des Viertels dienten den Dieben als Rückzugsort.

Nun berichtet die Düsseldorfer Polizei von einem enormen Rückgang der Straftaten nordafrikanischer Verdächtiger um 50 Prozent seit vergangenem Jahr. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: „Der Trend geht aus unserer Beobachtung nun eher zu schwereren Taten wie dem Straßenraub“, sagt Kriminalist Kneib.

In der Landeshauptstadt haben die Behörden die Intensivtäter aus dem Maghreb ebenso intensiv ins Visier genommen. Ein als „König der Taschendiebe“ bekannt gewordener Marokkaner, der auch an einem sexuellen Übergriff in der Silvesternacht beteiligt war, ist inzwischen abgeschoben.

Ebenso ging es den beiden Männern, die im Verdacht standen, eine Messehalle in Düsseldorf angezündet zu haben. Der Freispruch des Gerichts rettete sie zwar vor weiterer Haft, nicht aber vor der Abschiebung. Einer von ihnen war trotz Einreiseverbots in die EU nach Düsseldorf gekommen.

In der Landeshauptstadt steuern Polizei, Justiz und Ausländerbehörde seit einiger Zeit gemeinsam gegen. Ertappte Taschendiebe landen nun bevorzugt im beschleunigten Verfahren und damit nicht mehr automatisch auf freiem Fuß, sondern direkt vor Gericht und oft genug prompt hinter Gittern.

„Viele Dinge gehen schneller und konsequenter. Sie kommen nicht mehr am nächsten Morgen wieder raus und das Verfahren wird auch nicht mehr so schnell eingestellt“, berichtet Kneib. „Es ist uns außerdem gelungen, die Hehlerstrukturen zu zerschlagen.“

Für nordafrikanische Intensivtäter - im Polizeijargon „Nafri“ genannt - gibt es nun sogar Fallkonferenzen: „Wir schauen jetzt sehr genau: Bringen wir den ins beschleunigte Verfahren, oder bündeln wir Fälle, um eine höhere Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls hinzubekommen“, erklärt Kneib. Diese Täter werden nun dem Ausländeramt gemeldet mit der „klaren Bitte“, den Aufenthalt zu überprüfen und „wenn möglich zu beenden“.

Ein paar Kilometer rheinaufwärts in Köln hat sich die Lage ebenfalls beruhigt: „Wir haben deutlich rückläufige Zahlen. Das dürfte den vielen Razzien und dem insgesamt höheren Verfolgungsdruck geschuldet sein“, sagt ein Polizeisprecher.

Und im Düsseldorfer Maghreb-Viertel, dessen Bewohner sich unlängst noch stigmatisiert fühlten, feiert die Nachbarschaft inzwischen ein „Maghreb-Fest“. „Razzien brauchen wir dort nicht mehr“, sagt Kneib. (dpa)