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Droht Görlitz jetzt häufiger ein Mega-Stau?

Ein Unfall auf der Autobahn in Polen legte den Verkehr in Görlitz lahm. Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht.

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© Pawel Sosnowski

Von Alexander Buchmann

Görlitz. Am Dienstag ist von dem Verkehrschaos des Vortages nichts mehr zu spüren. Wo noch am Montag Laster an Laster stand, bewegt sich der Autoverkehr in geordneten Bahnen. Ist damit alles wieder gut? Nein, denn ein Zwischenfall wie der Unfall in der Nacht zu Montag kann sich jederzeit wieder ereignen. Die SZ stellt die wichtigsten Fragen zusammen.

Auch normal? Lasterkolonnen auf der Lutherstraße.
Auch normal? Lasterkolonnen auf der Lutherstraße. © M. Brestrich
Der Unfall auf der Autobahn bei Zgorzelec. Die völlig zerstörte Fahrerkabine vermittelt einen Eindruck von der Kraft, die bei dem Zusammenprall gewirkt hat.
Der Unfall auf der Autobahn bei Zgorzelec. Die völlig zerstörte Fahrerkabine vermittelt einen Eindruck von der Kraft, die bei dem Zusammenprall gewirkt hat. © A. Stefanczyk

Hatten Stadt und Polizei von den polnischen Behörden Infos erhalten?

Jein. „Die Stadtverwaltung und ihre Verkehrsbehörden sind nicht über die Sperrung der Autobahn informiert worden“, teilt Rathaus-Sprecher Wulf Stibenz mit. So gebe es zwar turnusmäßige Beratungen, insbesondere mit Vertretern aus Zgorzelec, und auch Havarie-Konferenzen, aber im konkreten Fall habe die Sperrung die städtischen Planer unvermittelt getroffen. Die deutsche Polizei steht hingegen in Kontakt mit den polnischen Kollegen, sie informierte daher auch am Montagnachmittag über die Lage. Wenn ein Sachverhalt auf dem Terrain des Nachbarstaates geschieht und nennenswerte Auswirkungen auf die andere Seite hat, dann stehen die Behörden in Kontakt, erklärt allgemein Polizeisprecher Thomas Knaup.

Warum haben Stadt oder Polizei den Verkehr nicht stärker gelenkt?

Sowohl die Görlitzer Stadtverwaltung als auch die zuständige Landespolizei hielten ein Eingreifen für nicht notwendig. „Das öffentliche Straßennetz im Stadtgebiet darf im Rahmen der Straßenverkehrsordnung von jedermann genutzt werden. Dass es baustellenbedingte geänderte Verkehrsführung und es aufgrund der hohen Verkehrsdichte zu zähem Verkehr und Wartezeiten kam, ist nun einmal so und schlichtweg Alltag in beinahe jeder Stadt“, teilt Polizeisprecher Thomas Knaup mit. Die Stadt sieht es ähnlich. „Das Verkehrsaufkommen war sehr hoch, die Wartezeiten sicherlich auch aufgrund der Wetterlage nervenaufreibend, aber es bestand kein Ausnahmezustand, der eine Sonderregulierung vertretbar gemacht hätte“, heißt es von Wulf Stibenz. Polizisten, die per Hand auf Kreuzungen den Verkehr regeln, wie in sozialen Netzwerken verlangt, kommen hingegen nur bei Sperrungen nach Unfällen zum Einsatz.

Wer war vom Stop-and-go durch die Stadt besonders betroffen?

Am größten waren die Behinderungen ganz klar im morgendlichen Berufsverkehr. Das bekam auch der Pflegedienst Cathrin Gutsche zu spüren. Deren Arbeit beginne gegen 5.45 Uhr und sei bis 10 Uhr erheblich eingeschränkt gewesen, erklärt Geschäftsführer Jörg Hrdlika. So sei es zu Verspätungen von 45 Minuten gekommen, mit denen die Mitarbeiter die Kunden erreichen. Nach 10 Uhr konnten diese dann wieder allmählich abgebaut werden. Die Pflegedienst-Mitarbeiter haben in der Zwischenzeit versucht, die kritischen Stellen, so gut es geht, zu umfahren und sich dabei auch in einer eigens eingerichteten Whats-app-Gruppe über ihre Handys untereinander ausgetauscht. „Die machen das jeden Tag und sind pfiffig“, sagt Jörg Hrdlika.

In einer anderen Branche, der Auslieferung von Essen auf Rädern, waren die Auswirkungen hingegen nicht ganz so gravierend. Weil sich die Lage ab Mittag bis auf Ausnahmen wie den Brautwiesenplatz beruhigt hat und wegen der Sommerferien keine Schulen zu beliefern waren, habe es keine großen Beeinträchtigungen gegeben, erklärt Matthias Schmidt von der MS Menü Service GmbH in Hagenwerder, dessen Firma an der B 99 liegt. Nur ein Fahrer habe eine Verspätung gehabt.

Könnten weitere Grenzbrücken oder die Südumfahrung künftig helfen?

Aktuell weichen Lkw bei einer Sperrung der Autobahn in Polen auf den Grenzübergang in Hagenwerder und Pkw auf die Stadtbrücke in Görlitz aus. Die treffen aber am Brautwiesenplatz aufeinander. Um eine Wiederholung der Verkehrslage vom Montag zu verhindern, braucht es daher zusätzliche grenzüberschreitende Strecken. Das sieht man anscheinend auch im Görlitzer Rathaus so. „Weitere Brücken über die Neiße würden allgemein im Alltag und in besonderen Fällen Wirkungen zeigen“, sagt Hartmut Wilke, Amtsleiter Stadtentwicklung. Ein zusätzlicher Grenzübergang in Form einer Verlängerung der Schlesischen Straße in Königshufen über die Neiße wäre da eine Möglichkeit. Dieser Meinung ist der Fraktionsvorsitzende der CDU im Stadtrat Dieter Gleisberg. In der Fraktion werde man das Thema daher bei nächster Gelegenheit besprechen. „Wir wissen, dass der Verkehr eher zu- als abnehmen wird, besonders auf der Autobahn“, sagt er. In den städtischen Plänen für eine langfristige Verkehrsentwicklung ist diese Grenzbrücke auch vorhanden.

Auch eine Südwestumfahrung vom Grenzübergang Hagenwerder über Kunnerwitz und Schlauroth zur B 6 hätte am Montag den Laster-Verkehr um die Görlitzer Innenstadt geführt. Doch das Vorhaben kommt seit Jahren nicht von der Stelle, steht auch beim Freistaat nicht mehr hoch im Kurs. Das Verkehrsaufkommen sei zu gering. Schade, findet der frühere CDU-Landtagsabgeordnete und Befürworter der Straße, Volker Bandmann. Aber auch ein Ausbau der Autobahn um eine weitere Spur und der Bau eines Lkw-Parkplatzes könnten seiner Meinung nach die Straßen in Görlitz entlasten.

Warum allerdings die Laster auf der Autobahn standen, in die dann der 29-jährige Lkw-Fahrer hineinraste, konnte die SZ gestern nicht klären. Eine Möglichkeit wäre, die Laster warten das Sonntagsfahrverbot dort ab – weil die Parkplätze entlang der A 4 ohnehin voll sind.