Linda Barthel, Alexander Schneider, Axel Nörkau und Mirko Jakubowsky
Dresden. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen bei einer NPD-Demonstration am Freitagabend hat es in Dresden-Friedrichstadt keine weiteren Zwischenfälle gegeben.
Ab Mitternacht sei an der Bremer Straße Ruhe eingekehrt, sagte ein Polizeisprecher. Die Beamten seien in der Nähe geblieben und hätten regelmäßige Kontrollfahrten durchgeführt.
Laut Polizei waren bis zum späten Freitagabend etwa 470 Flüchtlinge in der Zeltstadt im Stadtteil Friedrichstadt angekommen. Zuvor hatten Rechtsextreme bei der NPD-Demo Gegendemonstranten angegriffen. Flaschen und Steine flogen. Drei Menschen wurden verletzt. Ein Mann wurde nach Angaben der Polizei festgenommen.
Die Zeltstadt am Sonnabend
Das Geschehen am Freitagabend
Der Aufbau der Notunterkunft
Sachsens Landesregierung hat die Übergriffe inzwischen scharf verurteilt. „Angegriffene DRK-Mitarbeiter und Körperverletzungen gegenüber Menschen, die Flüchtlinge willkommen heißen, sind nicht hinzunehmen. Hier werden Grenzen überschritten“, sagte Staatskanzlei- Chef Fritz Jaeckel (CDU) am Samstag der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Diejenigen, die das tun, werden wir unerbittlich verfolgen und zur Rechenschaft ziehen.“ Jaeckel appellierte an die Dresdner, die Flüchtlinge willkommen zu heißen: „Zeigen Sie Menschlichkeit! Bund und Länder arbeiten derzeit an Maßnahmen die das Asylverfahren beschleunigen sollen. Ich erwarte hierzu im Frühherbst Ergebnisse.“
„Es ist unerträglich, wie die NPD und andere rechtsextreme Gruppierungen die gestrige Ankunft von 500 Flüchtlingen aus Syrien missbrauchen, um Hetze und Hass zu verbreiten, dabei auch vor Gewalttaten nicht zurückschrecken“, erklärte der Dresdner CDU-Chef und Landtagsabgeordnete Christian Hartmann. Es sei ein trauriges Bild, dass syrische Kriegsflüchtlinge und Helfer von der Polizei beschützt werden müssen.
Reaktionen von Lokalpolitikern
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag war auf einem ungenutzten Gewerbegelände in der Dresdner Friedrichstadt damit begonnen worden, ein Zeltlager mit einer Kapazität für bis zu 1 100 Asylsuchende zu errichten. Binnen 24 Stunden wurde die Zeltstadt errichtet, um am Wochenende etwa 800 Flüchtlinge vor allem aus Syrien aufzunehmen.
Die ersten Bewohner kamen am Freitagabend um etwa 22:30 Uhr mit Bussen aus Chemnitz an. Das Deutsche Rote Kreuz betreut das Lager und war am Abend mit 70 Mitarbeiterin im Einsatz. Die restlichen Asylbewerber werden im Laufe des Wochenendes in der Friedrichstadt erwartet. Am Samstag wird die Ankunft von etwa 300 Menschen erwartet.
Pegida bleibt auf Distanz
Die Ankunft der Flüchtlinge gefiel nicht jedem: Bereits am Freitagmittag hatte der NPD-Kreisverband Dresden zu einer Demo gegen das Notaufnahmelager aufgerufen - am Abend waren nach Schätzungen rund 200 rechte Demonstranten vor dem Gelände zu sehen. Das Pegida-Bündnis um Lutz Bachmann rief seine Anhänger derweil via Facebook dazu auf, der NPD-Kundgebung fernzubleiben.
Auch eine Gegendemo war von Mirko Schultze (Linke) angemeldet worden. Diese Demonstranten - deutlich über 300 Menschen - wollten hier die Flüchtlinge willkommenheißen und sprachen von einer „gewollten Provokation“ der NPD. Zwischenzeitlich rannten beide Lager aufeinander zu, die Polizei hatte Mühe, dazwischenzugehen. Das wiederholte sich später.
Rechte Demonstranten warfen auch Böller und Verkehrsbaken auf ihre Gegner, auch auch dem Gegendemo-Block flog mindestens ein Knallkörper in Richtung der rassistisch motivierten Kundgebung. Drei Menschen wurden verletzt, darunter eine junge Frau, die stark blutend von Sanitätern versorgt werden musste. Drei Rettungswagen und ein Notarztwagen fuhren vor. Auch ein Fernsehteam vom ZDF wurde angegriffen. Die Polizei nahm einige Personen fest.
Ähnlich wie in Chemnitz sollen die Flüchtlinge in der Dresdner Zeltstadt nur vorübergehend untergebracht werden. Wie lange die Betroffenen in Zelten leben müssen, könne aber der Landesregierung zufolge noch nicht gesagt werden.
Die Zelte waren innerhalb sehr kurzer Zeit von Helfern des DRK und des THW errichtet worden. Drei Sanitärcontainer und zahlreiche Toilettenhäuschen ergänzen die Zeltstadt. Ein Caterer wird den Asylsuchenden drei Mahlzeiten pro Tag zu Verfügung stellen. Im Lager wird ein Sicherheitsdienst mit zehn Mitarbeitern für Ordnung sorgen.
Um die Sicherheit der Flüchtlinge zu garantieren, will das Innenministerium mehrere Züge der Polizei und der Bereitschaftspolizei in die Friedrichstadt verlegen. Man wolle dort eine starke Präsenz demonstrieren, hieß es.
Zwischenfälle schon beim Aufbau
Nach den Worten von DRK-Chef Rüdiger Unger waren Mitarbeiter der Hilfsorganisation schon am Donnerstagabend von Schaulustigen daran gehindert worden, Vorbereitungen für das Lager zu treffen. In einem Fall sei jemand sogar mit einem Auto auf einen DRK-Helfer zugefahren. „Ich habe so etwas noch nie erlebt“, sagte Unger. Allen müsse klar sein, dass man hier humanitäre Nothilfe leiste. Sachsens Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) zeigte sich beschämt über die Vorfälle. Auch Mitarbeiter des Innenministeriums seien attackiert worden, als sie Informationsmaterial in die Briefkästen des Viertel warfen: „So etwas ist einfach nicht hinnehmbar.“ Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks hätten aus Angst vor Steinewerfern Helme mitgebracht.
Auch im Verlauf des Freitags beobachteten Schaulustige den Aufbau des Lagers und machten keinen Hehl aus ihrer ablehnenden Haltung. Andererseits sei in den vergangenen Stunden auch eine enorme Hilfsbereitschaft von Dresdnern zu spüren gewesen, sagte Innenstaatssekretär Michael Wilhelm. Viele wollten Spielzeug und Geld spenden oder bei der Betreuung der Asylsuchenden helfen. Dies seien ermutigende Zeichen. Die große Mehrheit der Dresdner Bevölkerung sei bereit, den betroffenen Menschen zu helfen. Wilhelm richtete einen eindringlichen Appell an die Asylgegner: „Lasst die Leute in Ruhe, die haben so viel durchgemacht.“
Die wenigen unmittelbaren Anlieger erfuhren erst am Freitagmorgen von dem Zeltlager, andere hatten am Donnerstagabend ein Schreiben der sächsischen Landesdirektion im Briefkasten. Meist sagen die Nachbarn zur neuen Situation auf der Bremer Straße: „Wir warten erst einmal ab.“ (mit dpa)