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Dresdner Umweltschule muss schließen

Vier Jahre wurde der Schulbetrieb mit Waldkonzept geduldet. Doch jetzt ist der Bildungsagentur die Mängelliste zu lang.

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© Sven Ellger

Von Kathrin Kupka-Hahn

Diese Woche beginnt für die Eltern, Schüler und Lehrer der Natur- und Umweltschule mit einer Hiobsbotschaft. Die Einrichtung mit Sitz am Manfred-von-Ardenne-Ring 20 muss zum 30. Juli schließen. Die Sächsische Bildungsagentur (SBA) entzieht dem Träger die Genehmigung für den Schulbetrieb. Es ist das erste Mal, dass die Bildungsagentur derart hart durchgreift. „Die Entscheidung ist uns nicht leichtgefallen“, erklärt Leiterin Anja Stephan. Doch sie sieht an der Natur- und Umweltschule das Kindswohl gefährdet.

Zu groß ist inzwischen die Mängelliste, die bei elf Kontrollbesuchen durch SBA-Mitarbeiter erstellt wurde. „Bei der zwölften Konsultation wurde uns der Zutritt zum Gelände der Natur- und Umweltschule verweigert“, erzählt Stephans Kollegin Kerstin Kühner. Sie hat die Ergebnisse der Schulbesuche in mehreren Aktenordnern protokolliert. Darin befinden sich Stichproben von Arbeitsblättern, Wochenplänen, Selbsteinschätzungen und Leistungskontrollen. „Die Kinder hinken in ihrem Leistungs- und Wissensstand hinterher“, lautet Kühners Fazit. Einige Eltern, deren Kinder an der Natur- und Umweltschule lernen, sehen das offenbar ebenso. Bei der Bildungsagentur sind sechs Anträge auf Wiederholung des Schuljahres eingegangen. „Das entspricht etwa zehn Prozent der Schüler“, erklärt SBA-Leiterin Stephan. Doch ihre Kollegin Kerstin Kühner, die selbst viele Jahre als Grundschullehrerin tätig war, kann noch weitere Mängel im Schulbetrieb belegen.

Sie hält beispielsweise Arbeitsmaterialien, die an der Natur- und Umweltschule verwendet werden für unzureichend. „Es wird jahrgangsübergreifend unterrichtet. Aber alle Schüler von der ersten bis zur dritten Klasse erhalten das gleiche Arbeitsblatt“, schildert sie das Erlebte. Zudem beklagt sie die mangelhafte pädagogische Arbeit der Lehrer. „Wobei ich noch nicht einmal weiß, ob alle Lehrkräfte wirklich ausgebildete Lehrer sind.“ Bei einem ihrer Schulbesuche leitete eine sogenannte Naturpädagogin den Unterricht. Einsicht in die Akten zu der Frau erhielt sie nicht. Deshalb hat Kühner selbst recherchiert. „Bei der Naturpädagogin handelte es sich um eine Touristik-Assistentin, die viele Jahre in Afrika unterwegs war und eine Vorliebe für den Wald hat.“

Ein weiterer Kritikpunkt der SBA sind die ungesicherten Lern- und Arbeitsplätze der Kinder. Der Unterricht im Freien findet auch bei strömendem Regen statt. Jedoch gibt es unzureichend geschützte „Klassenzimmer“ für die Kinder. Bei einer Konsultation war der Waldplatz nur dürftig mit einer Plane bedeckt. Das Wasser sei überall heruntergetropft, auch auf die Arbeitsblätter und Schulranzen. „Die Kinder knieten vor ihren Sitzgelegenheiten, auf denen sie schrieben“, erzählt Kühner. Fotografieren durfte sie das nicht. Bei ihrem nächsten Besuch war der Waldplatz mit einem Partyzelt ausgestattet. Doch auch dieses erschien der SBA nicht sicher genug. „Es war lediglich mit Schnüren am Boden befestigt und hätte keine Schneelasten ausgehalten. Zudem hätte der nächste Sturm es weggefegt“, so Kühner. Weitere Gefahrenquellen konnte sie mit Fotos belegen, darunter Metallgegenstände auf dem Waldboden, eine Hakenleiste für Schulranzen in Augenhöhe und einen von Sturm Felix zerstörten Baum, unter dem sich die Kinder im Januar zum Unterricht sammelten. „Wir können keine Schule genehmigen, in der die Sicherheit der Kinder nicht gewährleistet ist“, sagt die SBA-Leiterin dazu.

Was aus den rund 60 Kindern wird, die in den vergangenen vier Jahren an der Natur- und Umweltschule unterrichtet wurden, steht für die Bildungsagentur auch schon fest. „Die Kinder der vierten Klassen wechseln an Oberschulen“, so Stephan. Für die restlichen rund 40 Kinder gibt es zwei Optionen. Sie können als komplette Klassen ab September an die 19. Grundschule am Jägerpark wechseln. Andernfalls müssen sich die Eltern jetzt nach Plätzen in staatlichen Schulen umsehen.

Beim Träger der Natur- und Umweltschule, dem Verbund Sozialpädagogischer Projekte (VSP), löste das Schreiben der Bildungsagentur Unverständnis aus. „Es sorgt für sehr viel Unruhe bei Kindern und Eltern“, sagt Leiterin Kerstin Förster dazu. Zu den Vorwürfen der SBA nimmt sie nicht weiter Stellung, sondern verweist auf den Anwalt des VSP, Bernd Sträßer.

Der Verbund hat gegen die bisherigen Bescheide der SBA über eine befristete Genehmigung der Umweltschule für die Schuljahre 2013/14 und 2014/15 Klage beim Verwaltungsgericht Dresden eingereicht. Am 4. Juni soll darüber verhandelt werden. „Die nun vorgebrachten Vorwürfe haben wir dabei bereits widerlegt“, sagt der Rechtsanwalt. Zudem gab es den Versuch eines Vergleichs, den auch das Kultusministerium der SBA empfohlen hatte.

Nun wird der Anwalt ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht beantragen, damit die Schule auch ab August weiterbetrieben werden kann. Schließlich wurden 15 Kinder für die erste Klasse angemeldet.