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Dresdner Tieramt will putzmunteren Vogel töten lassen

Falsche amtliche Verfügungen – aber keine fachlichen Befunde: Ein Strehlener Ärzte-Ehepaar kämpft um seinen Zwergpapagei.

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© Norbert Neumann

Von Alexander Schneider

Dass ein frecher Zwergpapagei aus Strehlen jetzt einen Namen hat, war nie geplant. Die letzten acht Jahre hieß er einfach nur „Vogel“. Der kleine grüne Agapornide ist acht Jahre alt. Seit etwa einem Monat muss er jedoch auf „Riki“ hören, damit er seitens der Behörden unverwechselbar benannt werden kann. Es gibt einen Grund für den bürokratischen Akt. Geht es nämlich nach dem Dresdner Veterinäramt, ist das Tier sofort einzuschläfern. Riki kann man töten, „Vogel“ nicht.

Rikis Geschichte ist eine neue Posse aus der Wundertüte städtischer Tierschutz-Beamter. Sie wollen das Pfirsichköpfchen von seinen angeblichen Qualen erlösen. In den amtlichen Verfügungen heißt es, das Tier, Riki, sei gelähmt, könne weder stehen noch fliegen, leide an hochgradiger Atemnot und dergleichen mehr. Kurz: Es bestehe Anlass zum Handeln.

Die Amtstierärzte meinen es wirklich ernst. Am Freitag schickten sie bereits ihren dritten Bescheid innerhalb zweier Wochen an Rikis Besitzer, das Ehepaar Tatjana Chomutina und Thomas Bader, zwei Hausärzte aus Dresden. Die ersten Verfügungen waren nichtig, doch das Amt gibt nicht auf. In den Bescheiden sprechen die Beamten von „Euthanasieren“, einem Wort aus dem Mediziner-Deutsch, das hässliche Erinnerungen an frühere Zeiten weckt, wie zurzeit auch andere Umtriebe in dieser Stadt.

Rikis Schicksal ist schon Gegenstand eines Rechtsstreits. Christiane Wagner, Anwältin des Ärztepaars, ist entsetzt. Denn Rikis Gesundheit verbessert sich von Tag zu Tag, das habe ein weiterer Tierarzt erst vergangene Woche diagnostiziert. Nach ihrer Kritik an den beiden nichtigen Bescheiden hat Anwältin Wagner erst am Freitag erneut Widerspruch gegen die nun dritte Verfügung eingelegt, um Fristverlängerung gebeten – und Akteneinsicht gefordert, die sie bislang nicht erhalten habe.

„Ich will verhindern, dass plötzlich die Polizei in die Wohnung meiner Mandanten stürmt und das Tier beschlagnahmt“, sagt sie. Ihre Sorge ist berechtigt. Erst im Dezember gab es einen ähnlichen Fall: Da hatte das Veterinäramt mithilfe der Polizei und ausgestattet mit einem Gerichtsbeschluss eine diabeteskranke Katze beschlagnahmen lassen. Nein, nein, auch die Katze lebt noch. Sie sollte nur schulmedizinisch behandelt werden. Doch die Eile des Dresdner Veterinäramtes, der Einsatz fand drei Wochen nach der Anzeige eines Tierarztes statt, ist beängstigend. Denn – das verbindet die zwölfjährige Katze Maxi mit Papagei Riki – in beiden Fällen kümmern sich die Inhaber rührend um ihre Tiere. Katzenmutter Angela H., eine promovierte Musikwissenschaftlerin, hat das sogar schriftlich. Sie wurde im Juni in einem Strafprozess am Amtsgericht Dresden vom Vorwurf der Tierquälerei freigesprochen.

Anwältin Wagner ist, noch, im Verwaltungsrecht unterwegs. Von einer Strafanzeige ist nicht die Rede. „Zwei nichtige Bescheide in Folge, das muss man erst mal schaffen“, sagt die Juristin. „So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Hier nur exemplarisch einige Fehler: In der ersten Verfügung waren nicht beide Vogel-Eigentümer benannt, im zweiten stimmten die Fristen nicht mehr. Der Termin, zu dem das Ärztepaar Stellung nehmen sollte, war längst verstrichen. Verfügung Nummer drei hat es jedoch in sich: Das Amt hält die jüngste Diagnose Rikis von einem Dresdner Tierarzt für ein Gefälligkeitsgutachten, sagt Wagner. „Die Behörde spricht dem Tierarzt die Fachkompetenz ab.“ Dabei, und nun wird es wirklich kurios, gibt es bislang kein fachtierärztliches Gutachten, dem es zur Euthanasie des Vogels bedürfe. Es gebe lediglich die Einschätzung von Ärzten der Leipziger Uni-Tierklinik für Vögel und Reptilien, auf die sich das Amt beruft. Wagner vermutet, dass die Anzeige dort erstattet wurde, als man ihren Mandanten nahegelegt hatte, Riki einschläfern zu lassen.

Ende Juni war „Vogel“ überraschend von der Stange seiner Voliere gefallen. Er war apathisch, flatterte wirr durch den Käfig und konnte sich nicht auf den Beinen halten. Die Ursache dieser „Ständerlähmung“ war unklar. Nachdem sich der Zustand trotz mehrfacher Arztbesuche nicht besserte, stellte Tatjana Chomutina Riki am 3. Juli in der Leipziger Uniklinik vor, der wohl besten Adresse in Sachsen. Die Diagnose nach eingehender Untersuchung: eine mögliche Vergiftung durch Blei oder Zink, der Zustand sei ernst, die Prognose ungewiss. Zwölf Tage war Riki stationär in der Klinik. Regelmäßig erkundigte sich Frau Chumotina nach Rikis Befinden.

Am 14. Juli der Schock: Rikis Beine seien noch teilweise gelähmt, er habe auch Druckstellen bekommen, man rate zur Euthanasie. „Ich bringe Ihnen doch nicht den Vogel, damit Sie ihn killen!“, sagte Frau Chomutina, als sie Riki tags drauf nach Hause holte. Nur einen Tag später standen zwei Dresdner Amtstierärztinnen vor ihrer Wohnung, wollten Riki sehen, erkundigten sich nach der Euthanasie. Rikis Zustand habe sich in Leipzig verbessert, berichtete das Ärztepaar. Neu seien nur die Druckgeschwüre, die jedoch durch eine falsche Unterbringung entstanden seien. Riki sei in Leipzig ungepolstert auf dem Boden eines kleinen Käfigs gelagert worden. Seit jenem 16. Juli hagelt es nun die amtlichen Verfügungen, der Streit eskaliert, die Kosten steigen – und Riki wird immer gesünder.

Der Vogel putzt sich, frisst, fliegt, zwitschert wie eh und je. Selbst die Geschwüre klingen ab im mit Heu ausgelegten Käfig. Das Ehepaar Chomutina/Bader bestreitet, dass ihr Tier leidet, auch seien drei Wochen Behandlung für eine Euthanasie-Diagnose viel zu kurz, sagen sie. „Wir fragen uns, ob Fälle wie unserer nicht Tierhalter künftig davon abhalten, überhaupt zum Tierarzt zu gehen“, sagt Tatjana Chomutina.

Das Rathaus lässt auf Anfrage zu der peinlichen Posse mitteilen, man äußere sich zu schwebenden Verfahren nicht konkret. Die Amtstierärzte handelten im Sinne des Tierschutzgesetzes. Wirklich?